Bastian Jütte Quartet | 25.01.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Ein Schlagzeuger beschäftigt sich mit Rhythmen. Im Idealfall hat er sie in Blut. Manche Drummer sind auch noch Komponisten. All das trifft auf Bastian Jütte zu. Zum Konzert in den Neuburger Birdland-Jazzclub hat der Herrscher über Trommeln und Becken seine Kollegen Rainer Böhm (Klavier), Henning Sieverts (Kontrabass) und Florian Trübsbach (Alt- und Tenorsaxofon) mitgebracht. Und die Stücke seiner aktuellen CD „Happiness in Overrated“.

Noch etwas kann man über Bastian Jütte sagen: Der Mann ist neugierig. Neugierig auf rhythmische Experimente, auf unebene Wege statt ausgetrampelter Pfade, auf metrische Sonderfälle. Was passiert zum Beispiel, wenn man in einem Stück wie „Seven Daily Sins“ zwei Zeitebenen gleichzeitig ablaufen lässt? Wie hört es sich an, wenn in „Rainers Metamorphosen“ sich Rhythmus und Tonalität ständig ändern? Natürlich ist Jütte auch einer, der gehörig Dampf machen und seine Band vor sich hertreiben kann – und das tut er auch immer wieder, vor allem in den griffigen Passagen – das Besondere bei ihm aber liegt in Titeln wie „Five Whips“, bei dem man meint, eine Komposition wolle sich selbst ihrer Fesseln entledigen. Oder in einem Stück wie „The Prisoner“, bei dem man den Beat deutlich spürt, obwohl er an der Oberfläche ständig seine Struktur verändert.

Man kann Jüttes Stücke, die von ihm und seinen Bandkollegen mit Verve und Lust in Szene gesetzt werden, analytisch betrachten, kann nachdenken über isoliert gesetzte Klangmarken im Gegensatz zu Tonhaufen, die wie in einem Schwall über einem ausgeschüttet werden. Man kann sich an griffigen Grooves erfreuen, die mit zappaesker Komplexität einhergehen oder sich darüber wundern, wie nah Elegie und Ekstase, Lyrik und Unrast doch beieinanderliegen können. Oder man kann sich ganz einfach hineinfallen lassen in diese bei aller rhythmischen Verzwicktheit doch stets fließende, groovende, ganz und gar eigene akustische Welt des Bastian Jütte und seiner Kollegen, in der es sogar möglich ist, in ein und derselben Nummer, nämlich in „Post City“, Anton Bruckner, Jimi Hendrix und die Red Hot Chilli Peppers aufeinander loszulassen.

Tut man dies, ist die Wirkung ganz erstaunlich. Hat man sich nämlich erst einmal orientiert in diesem auf den ersten Blick vielleicht etwas fremdartigen Kosmos, fühlt man sich darin pudelwohl. Das metrische Feuerwerk, das das Quartett im Birdland zündet, hält manche Überraschung bereit und ist wieder mal ein Beleg dafür, was unter der großen Überschrift „Jazz“ so alles möglich ist. Was für ein spannender Abend für das Publikum im Birdland, welch erstaunliche neue musikalische Eindrücke. Und wer mal eine kurze Pause zwischendrin braucht, für den gibt’s Miniaturen wie „Nobody’s Song“, ein wunderschönes kleines Stück Musik, das in seiner Schlichtheit natürlich komplett aus dem Rahmen fällt. Aber mit starren Begrenzungen hat er‘s ja eh nicht so, der Bastian Jütte. Ein Glück, dass es so ist.