Renaud Garcia Fons „Revoir Paris“ | 24.03.2018

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

„Folklore imaginaire“ bezeichnet – in Anlehnung an Béla Bartók – eine Stilrichtung des Jazz v.a. aus Frankreich, dessen reiches musikalisches Erbe in den 80ern mehr und mehr der europäischen improvisierten Musik erschlossen wurde. Nicht allein die Tradition der Musette, die schon für den Jazz Manouche der 30er Jahre eine wesentliche Inspirationsquelle war, der ersten originär europäischen Spielart des Jazz, wird hier kreativ adaptiert und in einen lebendigen, frischen Kontext versetzt. Als einer der profiliertesten Protagonisten dieser zuweilen melancholischen, gelegentlich arabesken, stets meldodiösen, facetten- und variantenreichen Form der Weltmusik zeigte sich im Neuburger Birdland der französische Kontrabassist Renaud Garcis-Fons. Der frappierend virtuose Meister einer fünf(!)saitigen Spezialanfertigung seines Instruments feierte im hiesigen Jazzclub ein musikalisches Wiedersehen mit seiner Heimatstadt Paris. Im Trio mit David Venticci am Akkordeon ud Stephan Caracci an Vibraphon und Schlagzeug lieh er dem Flair, der Leichtigkeit, dem Charme und dem multikulturellen Bilderreichtum der französischen Metropole die Stimme seines Instruments und dessen faszinierender klanglicher Vielfalt. Vor dem dichten rhythmischen Geflecht, das Stepahn Caracci am sehr reduzierten Schlagzeug wob, und den melodiös perkussiven Impulsen, die er dezent vom Vibraphon tropfen ließ, lieferten sich David Venticcis Akkordeon und Renaud Garcia-Fons Kontrabass eine wahren Sangesstreit aus faszinierenden, betörend schönen Klängen. Unterwegs auf den „Rues Vagabondes“ entlockte zumal Garcia-Fons seinem um eine Quart nach oben erweiterten Tieftöner so viel Leben, wie es die reiche kulturelle Mannigfaltigkeit von Paris nur hergibt. In Pizzicato und mit dem Bogen gleichermaßen virtuos fegte der Meister nur so über die Saiten, entlockte ihnen sonores Volumen wie zartes Flageolett und ließ Herz und Seele nur so flanieren, schweifen und schwärmen „le long da la Seine“ oder über den „Montmartre en courant“. Zuweilen konnte das das Auge dem Ohr kaum folgen, so rasant folgten die Töne den schier über die Saiten tanzenden Händen des Ausnahmebassisten. Immer wieder musste man sich vergewissern, dass es tatsächlich ein Kontrabass war, der hier erklang, und nicht etwa ein Cello, eine Gambe oder gar eine Geige.
Neben aller pulsierenden Lebensbejahung, in die sich immer wieder auch mediterran, arabisch oder fernöstlich inspirierte Klänge mischten, kam auch die „Élégie de novembre“ nicht zukurz, jene leise Tristesse des Herbstes, die unweigerlich der Lust des Sommers folgt. Alles in allem jedoch pulsierten pure Vielfalt, Anmut, Heiterkeit und die Faszination, was alles möglich ist auf fünf Saiten eines Basses.