Unter einer Brass Band ist im Allgemeinen ein ausgewachsenes Blasorchester zu verstehen, voll besetzt mit allem Tschingderassabum, zu dem mehrere Dutzend Blechbläser imstande sind. Ws erwartet dann das geneigte Publikum bei einer „Pocket Brass Band“? Blech im Westentaschenformat? Mitnichten: Was der Posaunist Ray Anderson mit seinen drei Mitstreitern im Birdland Jazz Club Neuburg bot, nicht zum ersten Mal übrigens, führte an alle nur denkbaren Quellen blechbläserner Musikalität, griff tief in die Schatztruhe der Historie und präsentierte die Fundstücke mit derart frisch glänzender Politur, aktualisierter Authentizität und unbändiger Spielfreude, dass der Zeitensprung gar nicht mehr spürbar wurde. Old Time Jazz, Ragtime, Bebop-Unisono, freie Kollektivimsprovisation, Funk, Noise, Nonsens, Dada und Avantgarde marschierten Hand in Hand in eine ungemein fröhliche Gegenwart purer Musikalität. Die Klangbilder reichten vom Ragtime des ausgehenden 19. Jahrhunderts über den klassischen Jazz bis in die Downtown-Szene unserer Tage. Das bei absolut klassischer Besetzung: Trompete, Posaune, Sousaphon und Schlagzeug, das ganze auch mal ergänzt durch Quietscheenten und Quäkschweinchen in kohärentem Groove. Der Ursprung der Musik in „Louisiana“ – nicht von ungefähr steckt da der Name Louis Armstrongs drin , wie Anderson feixend vermerkte – blieb unverkennbar. Fast physisch entstanden vor dem inneren Auge die Basin Street, St. James Infirmary und die dampfenden Sümpfe des Missisippi-Deltas. Bemerkenswert, wie die Band Disziplin und Freiheit vereinte in Unisono und Anarchie, musikantischer Ausgelassenheit und punktgenauem Miteinander. Profunde Kenntnis der Musikgeschichte, Spielwitz, Intelligenz und Leichtigkeit beherrschten den Abend, nicht zuletzt eine gehörige Portion Humor. Ray Anderson an der Posaune und Steven Bernstein an der – selten zu erlebenden – Zugtrompete und am Kornett glänzen um die Wette, José Devila sorgt am Sousaphon für eine leichtfüßig tänzelnde Basis, Tommy Campbell am Schlagzeug hielt mit sichtlichen Vergnügen den sprudelnden Groove auf dem Siedepunkt. Zum Finale schließlich schritten die Vier im Gänsemarsch wie eine echte Marching Band durch’s Gewölbe, verteilten sich im Raum und schmetterten dem begeisterten Publikum aus allen Ecken kreatives Blech um die Ohren. Und als sie dann wie eine übermütige Buben-Gang die Treppe hinauf in die Gardebobe verschwanden, war umso deutlicher zu spüren, wie viel Spaß der Pocket Brass Sound allen Beteiligten gemacht hatte.