Renaud Garcia Fons & Jean Louis Matinier | 25.02.2000

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Wie bei Jules Verne´s Reise zum Mittelpunkt der Erde mögen sich die Zuhörer vorgekommen sein bei dem fulminanten Konzert von Renaud Garcia-Fons und Jean-Louis Matinier im Neuburger Birdland Jazzclub. Tief hinein in das Wurzelgeflecht der Musik, durch alle Gesteinsschichten hindurch bis hin zu phantastischen Landschaften zuinnerst des Lebens ging eine hinreißende Tour.

Jenseits aller Schubladen fließen musikalische Impulse verschiedenster Provenienz zusammen. Das Füllhorn der Inspiration umfaßt vor allem den Mittelmeerraum mitsamt seiner reichen Palette an kulturellen Einflüssen orientalischer, nordafrikanischer, süd- und südosteuropäischer Herkunft. Was Renaud Garcia-Fons auf dem fünfsaitigen Kontrabaß und Jean-Louis Matinier auf dem Akkordeon bieten, ist jedoch weit mehr als eine symbiotisch-weltmusikalische Reduktion verschiedenster Einflüsse auf die Ausdrucksmöglichkeiten zweier Instrumente. Die weitgehend durchkomponierten Stücke faszinieren durch Charme, Wärme, Leichtigkeit und Dichte. Mit magisch-lautmalerischer Kraft entstehen ganze Landschaften vor dem inneren Auge, in flirrendem Licht tanzen Insekten in der Mittagshitze irgendwo in Südfrankreich. Wie surrealistische Filmsequenzen mutet anderes an, verwirrend verwobenes Lebenswissen, das sich ordnet um die Einsicht in die Zerbrechlichkeit menschlicher Existenz und eine dennoch ungebrochen lebensbejahende Fröhlichkeit. „Bari“, ein einfach gehaltener Walzer, spinnt aus einer ursprünglichen und simpel erscheinenden Melodie heraus improvisatorisch nachsinnende Klangnetze von schwelgerischer Dichte, „Born to Play“ gibt sich als arabesk-filigran versunkenes Schmuckstück, das eher rhythmusbetonte „Le Byzantin“ eröffnet in schillernder Durchsichtigkeit auf dem Hintergrund dahinschwirrender Tupfer vom Akkordeon Raum für leicht-luftige Sololinien vom Kontrabaß.

Renaud Garcia-Fons und Jean-Louis Matinier sind zwei außergewöhnliche Instrumentalisten. Matinier erweist sich als ein Meister subtiler Klangfärbung, der dem Balg seines Instrumentes eine Fülle ungeahnter Möglichkeiten entlockt und die Dynamik seines Instrumentes expressiv und mit gleichzeitig verinnerlichter Energie in ihrer ganzen Bandbreite nutzt. Garcia-Fons spielt den Kontrabaß mit einer so nie zuvor gesehenen Virtuosität, perfekter Bogentechnik – den Konzertbesuch allein wert gewesen wäre sein Spiccato in „Sanlúcar“ – und wundersamer Ausdruckskraft. Beide erreichen eine Präzision des Zusammenspiels wie selten ein Duo. Das Publikum im nahezu ausverkauften Birdland feierte die beiden mit frenetischem Beifall und entlockte ihnen vier Zugaben.