Regina Carter Quintet | 11.10.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Sie war die erste und bisher einzige Jazzgeigerin, die Nicolo Paganinis Guaneri-Geige spielen durfte. Dass solche Erhebung in den musikalischen Hochadel des alten Europa nur allzu berechtigt war, auch um dessen Blut ein wenig aufzufrischen, stellte Regina Carter im Birdland Jazzclub nachdrücklich unter Beweis.

Das 600. Konzert im Neuburger Jazzkeller ließ die Kontinente in beeindruckender Weise zusammen rücken. Regina Carters Geige verbindet europäische Klassik – die junge Dame aus Detroit hat eine entsprechende Ausbildung genossen – und den Swing der 30er Jahre, Ungarn und Kuba, Afrika und den fernen Osten, französischen Impressionismus und vitale Improvisationskunst, tänzerische Leichtigkeit und dynamischen Vorwärtsdrang. Stilistisch wie technisch scheint sie keine Grenzen zu kennen, entwickelt dabei ihre eigene schlüssige Formensprache und individuelle instrumentale Idiomatik, ohne dabei ekklektisch zu wirken oder aus der Tradition ausbrechen zu wollen. Obwohl sich ihr Geigenspiel weitgehend in den unteren Lagen bewegt und einen eher dunkel gefärbten Ton bevorzugt, erwärmt sich die Violine in ihren Händen um so mehr als Carter bogentechnisch Vieles von Stephane Grapellis Leichtigkeit in die Gegenwart trägt. Auch ohne spektakulär virtuose Teufelsgeigereien reizt sie aus, was die Geige nur hergibt an Empfindungsreichtum, Emotion und Ausdruckskraft. Sei es Astor Piazollas „Oblivion“, Claude Debussys „Rêverie“ oder George Gershwins „Lady Be Good“, Regina Carter stellt der Versuchung zu allzu bedeutungsschwangerer Melancholie den swing entgegen, lässt Leben fließen, das der Schwermut die Stirn bietet ohne sie in künstlicher Heiterkeit verdrängen zu wollen. Dabei ist ihr Spiel eingebettet in eine rundum angemessen agierende Band. Begleitet von der eloquenten Harmonik des kurzfristig eingesprungenen Pianisten David Bodway, dem verlässlichen Groove und der stabilen Harmonik von Chris Lightcap am Bass, der lustvollen karibischen Rhythmik von Mayra Casales an der Percussion und dem unaufdringlichen melodiebezogenen Schlagzeugspiel von Alvester Garnett entfaltet die Jazzgeige von Regina Carter auch im alten Europa einen nachgerade bezaubernden Charme.