Ravi Coltrane Quartet | 29.11.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Kaum Schlimmeres für die eigene Persönlichkeitsentwicklung als immer nur mit dem Zusatz „Sie wissen schon, der Sohn von … “ vorgestellt zu werden. Kein Wort also über den Vater, aus dessen schier übermächtigen Schatten sich Ravi Coltrane schon allein dadurch löst, dass er nie in dessen Fußstapfen treten wollte. Mit Bedacht und Geduld hat der Junior, der den Vater schon im Alter von knapp zwei Jahren verlor, seine eigenständige musikalische Persönlichkeit entwickelt und selbstsicher den eigenen Stil entfaltet. Von Letzterem legte er im Birdland Jazzclub in Neuburg an der Donau ein absolut überzeugendes Zeugnis ab.

Leicht macht er sich es dabei nicht, lotet das Tenorhorn aus in Sound und Vision für die eigene Generation, verortet sich gleichzeitig so selbstbewusst wie behutsam angesichts des Erbes der Väter. Ravi Coltrane beginnt sein Konzert mit einer Komposition Wayne Shorters, von dessen distanzierter Herangehensweise er merklich beeinflusst ist, fährt fort mit dem eigenen „For Zoe“, taucht sodann in die John Coltrane Komposition „26-2“ ein, klar, eigenständig und mit einer eleganten Luftigkeit, die den seinerzeit experimentierenden Charakter des Stückes aus abgeklärter Distanz der Tradition zuordnet ohne ihm die – damals wie heute gültige – Eigenständigkeit zu nehmen. Ravi Coltrane ist ein ausgezeichneter Saxophonist mit bestechend selbstverständlicher Technik. Monks „Ask me now“ zeigt ihn darüber hinaus als reifen Balladeninterpreten, mit weichem Ansatz und reflektierter Emotionalität. Als Primus inter pares in einer brillanten Band bläst er sodann ein Bebop-inspiriertes Thema an, gibt Perdomo Martinez am Bösendorfer Gelegenheit zu hochexplosiver Pianistik und Drew Gress am Bass zu eloquenten basisdemokratischen Statements „von unten“, meldet sich zurück mit einem funkensprühenden Solo, macht wiederum Platz für Rodney E. Greens atemberaubendes Schlagzeugspiel, variiert Tempo und Feuer in zeitvergessener Intensität, erzählt seine Story in etlichen eigenen Kompositionen ohne Wenn und Aber auf dem eigenen Hochseil. Willkommen in der Champions-League.