Randy Ingram Trio | 28.09.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Am 18. Oktober wird das neue Album des Randy Ingram Trios veröffentlicht. Bereits drei Wochen vorher stellt er es zusammen mit dem Schlagzeuger Jochen Rückert und dem Kontrabassisten Drew Gress zu großen Teilen im Birdland Jazzclub in Neuburg vor. Das Bemerkenswerte daran ist, dass es sich dabei, wie Ingram selbst sagt, um eine Art „Protest“-CD handelt, aber eine, die ohne Text auskommt und nur mit den Mitteln der Musik arbeitet.

Der Hintergrund liegt darin, dass im Leben des Pianisten und Komponisten aus Brooklyn zwei Faktoren zusammentreffen, die es gilt, in Einklang zu bringen. Zum einen die chaotischen Zustände in den USA nach der Wahl Trumps, zum anderen die Geburt seines Sohnes. Ingram setzt Wut und Sorge gegeneinander. Den lauten, polternden, aggressiven Tönen aus dem Weißen Haus begegnet er ganz bewusst mit feingliedrigen, behutsam ausbalancierten Stücken, setzt Ästhetik gegen plumpe Rhetorik und verleiht den Gedanken Flügel, wo andere Mauern bauen.

Zudem ist Ingram ein Geschichtenerzähler. „Like Flight“ ist dafür ein schönes Beispiel. Mit blumiger Tonsprache beschreibt er die ersten Laufversuche seines Sohnes und spannt den Bogen zwischen dem bewusst tapsigen und fast stolpernd gehaltenen Intro und dem leichtfüßigen und beschwingten Schluss. Es gilt, genau hinzuhören auf all die Nuancen in Ingrams Stücken. Das sensible Publikum im Birdland merkt ganz genau, dass mit dem Randy Ingram Trio keine Formation auf der Bühne steht, bei der Beat, Groove und Drive an erster Stelle stehen. Deswegen verzichtet es auch auf den nach besonders gelungenen Soli gerne gewährten Applaus auf offener Szene. Der würde an dieser Stelle nicht passen, und die Leute spüren das, denn hier geht es nicht um Extrovertiertheit, sondern vielmehr auch um eine Art Innenschau. Was lösen die Zustände in meiner Heimat in mir aus und wie wirkt sich das auf meine Musik aus? Das ist die eigentliche Frage, auf die Ingram versucht mögliche Antworten zu finden.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Musik an diesem Abend im Birdland ist keinesfalls depressiv. Dazu ist Ingrams Tonsprache viel zu opulent, seine Klangfarben viel zu leuchtend und seine Vorgehensweise viel zu agil. Und im zweiten Teil flirtet er sogar ungeniert mit dem Mainstream in Form des von Cole Porters für das Musical „Jubilee“ geschriebenen „Just One Of Those Things“, öffnet also zum Ende hin immer mehr den Blickwinkel. Schließlich geht es ihm ja nicht nur um eine, sondern um verschiedene Möglichkeiten, mit der dem Album zugrundeliegenden Situation umzugehen. Sich bei aller gedanklichen Ernsthaftigkeit angesichts der Realität in sich selbst zu vergraben, wäre zwar auch eine Option, aber auf Dauer sicherlich nicht die beste. – Und da sage noch einer, Musik könnte bei all dem nichtssagenden und bedeutungsfreien Gedudel um uns herum nicht auch ein Spiegelbild unserer Zeit sein. Randy Ingram beweist, dass dies durchaus möglich ist.