Randy Brecker & The AMC Trio + 1 | 23.09.2022

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Die Trompete ist der Star. Oder vielleicht doch die Mannschaft? Dass die meisten an diesem Abend nur wegen Randy Brecker ins Neuburger Birdland gekommen sind und den Keller unter der Hofapotheke bis auf den allerletzten Platz ausverkaufen, steht außer Frage. Der Amerikaner, die noch lebende Hälfte der legendären Brecker Brothers, jener sagenumwobenen Fusion-Funkband der 1970er und 1980er Jahre, versteht es immer noch, mit der Magie seines Horns Menschen zu verzaubern. Wie brillant der New Yorker auch mit 76 Jahren spielt – gerade für Trompeter ein kritisches Alter – überrascht bei genauem Hinhören jeden. Viele werden nach dem Konzert im Hofapothekenkeller sogar behaupten, er sei nie besser gewesen. Breckers strahlende Highnotes sitzen auf den Punkt, brodelnde Growls platziert er geschickt zwischen federnden Gleittönen, meist in atemberaubender Geschwindigkeit, seine perfekte Phrasierung veredelt jedes noch so belanglose Thema.

Gretchenfrage: Wer kam wegen des AMC-Trios? Wohl keiner. Weil bis dato auch niemand die Jungs aus der Slowakei kannte. Aber wen ein Randy Brecker für würdig erachtet, an seiner Seite zu musizieren, der muss selbstverständlich eine gewisse Klasse, Brillanz und Fantasie besitzen. Und an diesem Abend haben Pianist Peter Adamkovic (steht für das A), Bassist und Bandleader Martin Marincak (M), sein Bruder Samuel Marincak (als Gast mit dem Zusatz „+1“) an der Gitarre sowie Schlagzeuger Stanislav Cvanciger (C) unter Garantie einige neue Fans hinzugewonnen. Die „Drei plus“ punkten beherzt und leidenschaftlich mit fusionlastigen – offenbar ganz auf ihren prominenten Mitmusiker zugeschnittenen – Themen, die sie augenscheinlich locker aus dem Handgelenk schütteln, die von ihrem Aufbau aber keineswegs leicht zu realisieren sind und immer eine gewisse melancholisch-slawische Grundstimmung in sich tragen. Adamkovic, die beiden Marincaks sowie Cvanciger entwickeln dabei die rare Eigenschaft eines musikalischen Allesklebers, der selbst unvereinbare Elemente bombensicher zusammenschweißt.

Bestes Beispiel dafür ist die eigentlich kaum funktionierende Allianz eines akustischen Flügels mit der mitunter ziemlich grellen Stromgitarre. In dieser Band aber führt sie zu dezent illuminierten Kontrasten. Auch wenn Samuel Marincaks Saiteninstrument in Titeln wie „One Way To My Heart“ mitunter scheppert und schrappt, bündeln Peter Adamkovic und Bruder Martin immer wieder den Sound zu einem feinen, schlanken Klangprisma, im Hintergrund unscheinbar gelenkt von dem nuanciert tickenden Schlagzeuger Stanislav Cvanciger. Überhaupt ist es einfach angenehm, im Hofapothekenkeller auch einmal eine Gitarre dieser Machart zu hören, die unter Beweis stellt, dass sie entschieden mehr kann, als nur laute Rockriffs in die Kellerluft schicken.

Eines wird einem freilich schon nach wenigen Sekunden des Konzertes sonnenklar: Die gesamten 120 Minuten geraten zum perfekten Œuvre für die hinreißende Kunst eines Randy Brecker. In Songs wie „Take It Easy“, „Travel With Me Babe“, Pail Is Real“ oder „Never Going To Lose My Head Again“ rollt das AMC-Trio einen dezenten, nie überfrachteten Klangteppich auf, der der bescheidene Stargast nach allen Regeln der Improvisationskunst als Plattform verwendet. Dabei übernehmen sowohl seine virile Trompete wie auch sein samten-geschmeidiges Flügelhorn unscheinbar die Funktion eines harmonischen Korrektivs, der viele Kleinigkeiten begradigt oder allzu glatte, liedhafte Fusion-Passagen bravourös und virtuos aufraut. Die Ehrfurcht der slowakischen Musiker für ihren amerikanischen Freund geht so weit, dass sie den Platz für Solos zu gefühlt 90 Prozent ihm überlassen und selbst nur äußerst zurückhaltend in Erscheinung treten, obwohl es dafür in punkto Qualität eigentlich keinen Grund gäbe. Das hätte es bei aller gebotenen Wertschätzung nun wirklich nicht gebraucht!
Die alten Brecker-Fans und neuen Anhänger des AMC-Trios danken es den fünf Instrumentalisten jedenfalls mit langanhaltenden Ovationen und erklatschen sich zwei langen Zugaben, darunter ein modernisiertes slowakisches Volkslied in prickelndem, fließendem ¾-Swing, gewürzt mit einem lyrischen Flügelhorn, das sich wie Watte anfühlt, besser: anhört, und für das Randy Brecker erst kurz Sekunden vor dem ersten Takt die Notenblätter gereicht bekam. Herrlich!