Ralph Alessi Trio | 24.03.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Ralph Alessi aus San Francisco gastiert mit seinem Trio im Birdland Jazzclub in Neuburg. Er wird dem Avantgarde-Jazz zugeordnet, spielt Stücke aus seinem gerade eben erschie­nenen Album „It’s Always Now“ und auch etliche, die noch neueren Datums sind und bislang noch nirgends veröf­fentlicht wurden. Wobei das Verb „spielt“ eigentlich zu schwach ist, er „zaubert“ sie vielmehr ins Gewölbe un­ter der Hofapotheke, mit Kraft, Präzision und Eleganz.

Die Melodieführung bei Stücken wie dem breit angelegten „Duck Face“, dem bedrohlich wirkenden „Gnarly“ oder dem minimalistischen „Ether“ ist berü­ckend, vor allem dann, wenn Alessi und der Pianist Florian Weber sich ihrer im Gleichklang annehmen. Würde man je­doch ver­suchen, sich nach dem Konzert an ein einzelnes Thema zu erinnern, täte man sich schwer, denn was nach diesem Abend zuvörderst haften bleibt, sind we­niger einzelne Kompositionen mit einem Haupterkennungsmerkmal – wobei jedes Stück selbstverständlich über ein solches verfügt – , sondern der Gesamteindruck dieser knapp zwei Stunden. Diese Musik entfaltet ihre Kraft und ihre Bildgewalt im Augenblick des Hörens, wenn ausno­tierte Teile und Alessis Improvisationen fast unmerklich ineinander übergehen, die Band sich zu knisternden Spannungs­bögen hinreißen lässt oder sich fester Strukturen annimmt, um mit ihnen zu spielen, um sie aufzuweichen, sie neu zu deuten, ohne freilich dabei in irgendeiner Phase auf deren Klischees hereinzufal­len.

So basiert „Everything Mirrors Every­thing“ beispielsweise eigentlich auf ei­nem Walzertakt, an dem die Band aber dermaßen lustvoll herumzerrt, dass der fast verlorenzugehen scheint, so ereilt das Bluesschema an anderer Stelle ein ähnliches Schicksal und das Stück „Re­verse Chameleon“ trägt seinen Titel ver­mutlich auch nicht von ungefähr. Flo­rian Weber und der Schlagzeuger Mark Fer­ber sind die idealen Musiker für Stücke wie „Planet Jumping“, „Bugbear“ oder „Portion Control“. Jeder auf seine Art ist zuständig für die überaus vielschichtigen Pat­terns, die Alessi als Basis dienen, We­ber an den schwarzen und weißen Tas­ten, mal mit der linken, mal mit der rech­ten Hand, Ferber mit dem kompletten Drum­set. Im Zusammenspiel ergibt das einen ungemein dichten rhythmischen Teppich, der beim Zuhörer an manchen Stellen ei­nen meditativen Sog entwi­ckelt, dem man sich nur allzu gerne hin­gibt.

Als schließlich alles fast schon vorbei ist, in der Zugabe nämlich, demonstriert das Trio mit „Old Baby“, das in dieser Fassung fast einem Wiegenlied gleich­kommt und das Birdland in eine mysti­sche, nebelverhangene Stimmung taucht, seine überaus emotionale, zärtliche Seite. – Das Alessi Trio: Für Jazz-Neueinstei­ger vermutlich nicht unbedingt die ein­fachste Kost, aber eine überaus schmack­hafte.