Quartetto Trionfale | 06.05.2017

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

„Le piccole cose“ – Die kleinen Dinge: Erstens, es gibt sie noch, und zweitens: Manchmal kommt’s genau darauf an. Da bewirken kleine Dinge Großes. Wie sich aus einem Rhythmus Gurren, Knurren und Raunzen erhebt, der Bass Laut und Groove aufnimmt, ein Saxophon dazustößt in spitzer Schärfe und die Trompete schließlich weiche Melodiosität dazugibt: Da verwandeln sich die Einzelteile zur Vollendung von Musik in ihrer ganzen Tiefe und Vielfalt als zuäußerst menschliches Ausdrucksmittel und wird zum Hymnus des Lebens selbst.

Schlagzeuger Günter „Baby“ Sommer hatte mit seinen alten Freunden Gianluigi Trovesi an Saxophon bzw. Klarinette und Manfred Schoof an der Trompete sowie Antonio Borghini am Bass ein Quartett vereint, das er mit gutem Recht im Sinne eines Triumphs über Modeströmungen Quartetto Trionfale benennt. Sommer, knorrig und knorzig wie eh und je, ist ja für seinen Eigensinn, seinen Witz und sein musikalisches Erzähltalent bekannt. Er kann Geschichten erzählen mit Worten, Trooemln und Becken, Pauken und Schellen. Jene etwa von dem griechischen Dorf Kommeno, das 1943 von deutschen Soldaten massakriert wurde. Wie ein Konzert im Konzert wirkte Sommers Vertonung des Klagegesangs der einzigen Überlebenden ihrer Familie, den sie dem Nachgeborenen auf Band gesungen hat. Manfred Schoof glänzte vor allem im zweiten Set mit Intonation, Tempo und vor allem einer milden Klarheit des Sounds, welche die inzwischen 81 Jahre des Trompeters leicht und locker vergessen ließen. Der italienische Tausendsassa Gianluigi Trovesi, seit je vertraut mit der ganzen Geschichte der Musik von der Frührenaissance bis heute, brillierte mit Tanz, Eleganz und ungeheurer Intensität. Am Bass hielt Antonio Borghini mit Temperament, Volumen und Geläufigkeit die Fäden zusammen, die mal um mal in ihre eigenen Richtungen spannen.
No parietto: Kein Vorhang, klares Bild, unmittelbar zupackende Musik aus der guten alten Zeit des freien Jazz! Doch von wegen alt! Das Feuer loderte hoch bei den Herren auf der Bühne, alt allenfalls an Jahren und Erfahrung. Erregende, packende, pulsierende Musik von purer Vitalität, Spontaneität, Laune, virtuosem Fluss, einer unglaublich inspirierenden Menge Adrenalin und aktuellem politischem Biss, wenn etwa gegen die Pegidisten in Dresden der „Hymnus“ ertönt. Vier Kämpen der Freiheit, mit Herzblut, Kreativität und schierer Lust am Spiel gewappnet, standen da auf der Bühne des Birdland und zeigten den Generationen von Golf bis z, wo’s lang geht. Sie gilt noch, die phantastische Utopie des Schöpferischen. Und es sind denkwürdige Zeiten, in denen die Alten die Jungen das Träumen lehren. Da sammeln sich kleine Dinge zu einem großen Ereignis!