Paul Desmond ist derjenige, der 1959 „Take Five“ komponiert hat, die bis heute weltweit meistverkaufte Single des Jazz, die seinerzeit bis auf Platz zwei der US Pop-Charts kam. Am 25. November würde er 100 Jahre alt. Die Band des Altsaxofonisten Lorenz Hargassner, die sich seit fast 25 Jahren unter dem Namen „Pure Desmond“ mit dem Erbe dieses Giganten des Jazz beschäftigt, ist geradezu prädestiniert, in der Reihe der Gratulanten an erster Stelle zu stehen. Erstens, weil Hargassner sich wie kaum ein zweiter auskennt mit allem, was Desmond betrifft, und zweitens, weil er vermutlich dessen größter Fan ist.
Der Abend läuft ab wie eine Art Hörbild. Die Band, zu der Johann Weiß an der Gitarre, Christian Flohr am Kontabass und Ole Seimetz am Schlagzeug gehören, bietet Musik und Informationen, Stücke, die Desmond geschrieben, bearbeitet oder eingespielt hat, Biografisches aus seinem Leben, Anekdoten, Geschichten und Zitate von und über ihn. Wer Desmond näher kennen lernen will, ist an diesem Abend im Neuburger Birdland-Jazzclub genau am richtigen Ort. Man blättert quasi in einer höchst abwechslungsreich gestalteten und inhaltlich erstaunlich umfassenden Biografie aus Wörtern und Noten und die persönliche Recherche mit Hargassner als Guide macht richtig Spaß.
Pure Desmond bleiben recht nah am Original. Das ist Absicht und nicht Ausdruck mangelnder Kreativität. Es geht in erster Linie um den Jubilar und dessen Werk, erst in zweiter um den Laudator. Wobei der freilich den so ungemein weichen, geschmeidigen Ton Desmonds und dessen wunderschöne Melodieführung derart gut hinbekommt, dass man an manchen Stellen fast darüber ins Grübeln kommt, wer da eigentlich spielt. Die beiden Sets des Abends sind mit Akribie konzipiert und klar strukturiert. Der Ablauf der Sets und der Stücke ist fest umrissen, Vortrag und Sound sind makellos. Auch dass das Dave Brubeck Quartett mit Brubeck am Klavier und Desmond am Saxofon seinerzeit der Inbegriff des Cool Jazz war, wird deutlich. „O Gato“, „Gotta Change“, „Line For Lyons“ und „Blue Rondo A La Turk“ tauchten auf der Setlist Desmond’s auf und sind deswegen auch Teil des Programms von Pure Desmond, dazu das unverwüstliche „Moon River“ als Erinnerung an Desmond’s Schwärmerei für Audrey Hepburn, aus der nie etwas Ernsthaftes wurde, und natürlich „Take Five“, bei dem die Band zu einer erstaunlich eigenständigen Variante findet.
Und auch wenn das Konzert ab und zu die Aura des Akademischen umgibt, kommt der Humor nicht zu kurz. Für den ist auch Desmond selbst mit verantwortlich. Der begeisterte Glücksspieler, vor dem kein Geldautomat sicher war, habe, sagte er zumindest, „Take Five“ nach dem Rhythmus der einarmigen Banditen geschrieben und wirklich nur aus dem Grund, das Geld wieder reinzuholen, das er vorher verloren habe. – Ein entspannter, musikalisch gehaltvoller und auch informativer Abend mit tollen Songs, von denen viele längst in den Geschichtsbüchern des Jazz stehen. Und eine ehrliche und – trotz der misslungenen zweiten Zugabe – würdevolle Hommage an einen der ganz Großen des Jazz. Nachdem das Konzert für das 14. Birdland Radio Festival vom Bayerischen Rundfunk mitgeschnitten wurde, ist es dort auch nachzuhören, und zwar am Mittwoch, 11. Dezember, um 19 Uhr auf BR-Klassik.