Polziehn – Kagerer – Petrocca Trio | 18.04.2009

Donaukurier | Bruno Turchet
 

Fast schon tot geglaubt, erlebte das Pianotrio im Birdland ein stürmisches Comeback. Als Trendsetter wirkten Olaf Polziehn, Helmut Kagerer und Davide Petrocca. Was das Trio bot, darf als das Jazz-Konzertereignis des Jahres schlechthin bezeichnet werden.

Die rein akustische Besetzung aus Klavier, Kontrabass und Gitarre stand seit langem nicht mehr so hoch im Kurs. Junge Pianotrios bewegen sich zwischen Vergangenheit und Zukunft, Orthodoxie und Innovation. Mit einem Bein stehen sie auf dem Boden der Tradition, mit dem anderen tasten sie sich vorsichtig auf neues Terrain vor.

Wenn man nach den Vorbildern fragt, fällt oft derselbe Name: Bill Evans (1929–1980) und Oscar Peterson (1925 –2007). Evans setzte in den 50er Jahren neue Maßstäbe für die moderne Spielart des Jazz-Pianotrios. In der Swing-Ära stand bei Evans noch das Klavier unangefochten im Vordergrund, während Bass und Schlagzeug nur für die swingende Begleitung zu sorgen hatten. Peterson brach die Unterordnung auf und etablierte ein Zusammenspiel auf Augenhöhe. Er erfand das Jazz-Pianotrio als magisches Dreieck neu, seine Band wurde zum Modell der kreativen Interaktion von gleichberechtigten Musikern.

Das Olaf Polziehn-Trio nimmt den Impuls auf und kultiviert das Spiel im Team. Hier gibt niemand den Ton an. Helmut Kagerer (Gitarre) und Davide Petrocca (Kontrabass) erweisen sich als Meister in der Erzeugung delikater Stimmungen. Mit feinem Gespür für Schattierungen werden die Jazzstandards neu gestaltet, wobei die Musik sich nur manchmal in zu wohligem Schönklang sonnt.

Polziehn, Kagerer und Petrocca sind Meister ihres Fachs, drei gestandene Musiker der europäischen Jazzszene. Polziehn, der das Spiel absichert, dafür heimlich diktiert, antreiben oder nach Belieben wieder entschleunigen kann. Im Falle Polziehn, Kagerer und Petrocca heißen die Spielmacher Antonio Carlos Jobim, Dizzy Gillespie, Astor Piazolla , Oscar Pettiford und vor allem der im Dezember 2007 verstorbene Oscar Peterson.

Wie schön können Jazzstandards sein, ohne ins Banale abzukippen, fragt oft die innere Stimme. Im Falle Olaf Polziehn wunderschön, denn das langjährige Mitglied des Bundesjazzorchesters verfügt über sämtliche musikalische Werkzeuge, selbst einen Popsong zu einem konzertanten Jazzstandard umzubauen.

Polziehn begann sein Studium als Musiker 1992 an der an der Hochschule für Musik Köln bei Frank Chastenier. Mittlerweile ist er Professor für Jazzpiano an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz. Zeitweise expressionistisch, fügt er die einzelnen akkordischen und solistischen Bausteine zu einem klangschönen Mosaik zusammen. Seinen Höhepunkt erreicht das Konzert dennoch, als der in der Tradition von Oscar Peterson stehende Pianist mit „I am to be happy“ die rhythmisch und harmonisch verschlungenste Nummer ins Birdland wuchtet. Olaf Polziehn, ein Stil-Chamäleon, das sich mühelos in den verschiedensten Jazzstilen zurecht findet. Nie trug er zu dick auf, seine Läufe perlten durch die Harmonien. Er kokettierte mit breiten Akkorden mit der linken Hand und hüpfte mit der rechten ausgelassen durch teils überraschende Intervalle. Davide Petrocca fügte sich mit seinem Bass in das dichte Zusammenspiel der andern. Seine raschen Sprünge traf er mit ausgezeichneter Intonation. Helmut Kagerer begleitete seine Kollegen mit einer glasklaren Präzision und ließ ihnen viel Raum, um sich zu entfalten.