Emilio Solla & Afines | 03.04.2009

Donaukurier | Clara Fiedler
 

Tango, Samba, südamerikanische Folklore, Zitate aus allen Stilrichtungen, mitreißender Groove, expansive Expressivität: Das ist Emilio Solla. Das, und noch unsäglich viel mehr. Und das am Piano, einem Instrument, das in so gut wie jeder Richtung seinen Platz hat. Er ist zurückhaltend, der Namensgeber dieses herausragenden Quintetts. Die Rhythmusgruppe, Carlos Morera am Bandoneon, und vor allem Gorka Benitez, der unglaubliche Flötist und Tenorist der Gruppe, scheinen zunächst um einiges präsenter als Solla selbst. Aber was wäre das Gesamtbild ohne die Grundierung, bei der er meisterhaft, fast impressionistisch, die Farben ineinander laufen lässt und dann wieder gekonnte Akzente setzt? Seine Persönlichkeit, seine Musik ist es, auf der alle anderen Mitglieder der Band ihre eigenen Linien spielen. Sogar Bassist David Gonzales und der „große Zauberer“ David Xirgu am Schlagzeug, die mit fast entspannender und doch präziser Inkonsequenz immer wieder das gerade geschaffene rhythmische Schema durchbrechen und dadurch eine unheimliche Dynamik entwickeln, wirken wie Soloinstrumente.

Bei „Milonga de mis Amores“ greift Gorka Benitez zum ersten Mal an diesem Abend zur Querflöte. Den Kernpunkt des Stückes bildet ein Thema, das stark an die Blütezeit des Barock erinnert, Das Bandoneon begleitet und verpasst dem ganzen noch eine Portion französischer Musette-Leichtigkeit. Was sich scheinbar widerspricht, fügt sich hier nicht zuletzt durch das nahtlose Zusammenspiel der Musiker zu Einem. Die Melodie wandert in den Bass, wird umspielt, die Soloinstrumente imitieren einander, greifen einzelne Motive und Themenköpfe in ihren Improvisationen wieder auf, Solla hinterlegt das Ganze mit weitgriffigen Akkorden und Xirgu schlägt auf der Hardware Triolen.

So frei sie sich mitunter auch bewegen, ihre Linien führen immer wieder zusammen, etwas Neues wird vorgestellt, sie spielen damit, schwelgen in der Schwebe eines auf engstem kreativen Raum erschöpften Themas und konstruieren aus diesem meditativen Leerlauf den grandiosen Gegensatz zum eben Gehörten.

Dem „wichtigsten argentinischen Komponisten“ Astor Piazzolla hat Solla in seiner „Suite Piazolliana“ ein musikalisches Denkmal gesetzt, das sich so vielseitig präsentiert, wie der Meister selbst: Folkloristische Verspieltheit wird plötzlich überrollt von einem unregelmäßigen Rhythmus-Monster am Schlagzeug, winzigste musikalische Strukturen wie ein einziger Ton oder Triller wandern durch die einzelnen Stimmen, und immer wieder wird reduziert auf Sollas Piano, das einen in rauschend-berauschenden Klangwellen zurück an den Anfang führt.

Und ganz zum Schluss, als viele den Jazzkeller schon verlassen haben, weil niemand mehr damit gerechnet hat, steigen sie noch einmal spontan auf die Bühne und geben eine Zugabe, von der sie vorher selbst nichts wussten. Ein kleines Wunder, ein großer Glücksmoment. Eben Musik.