Polyphone X | 27.11.2004

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Ruhe bewahren können, abwarten, was sich entwickelt, agieren und reagieren, auf die kleinen Signale hören, die ein Thema in sich birgt, und auf die Winke, die im gemeinsamen Musizieren sich ergeben: Die hohe Kunst des Triospiels zelebrierten Thomas Stabenow am Bass, Johannes Enders am Saxophon und der elder statesman Fritz Pauer am Piano unter der Überschrift „Polyphone X“ im Neuburger Jazzkeller.

Pauers Kompositionen klingen längst nicht so verkopft, wie Mancher vielleicht nach der Lektüre des Programmtextes befürchtet hatte. Im Gegenteil: Hinter dem „pandiatonischen Kanon“ oder dem „freien Kontrapunkt“ verbirgt sich lustvolle Improvisationskunst, die jede Menge mit Intuition zu tun hat, mit Gespür für das, was der Augenblick bietet an kreativer Gestaltungskraft. Da wird eine Reise von Lima über die Höhen der Anden zum Hörabenteuer von innerer Erhabenheit, dreht sich der Tanz des Gouchos um ein leise flackerndes Feuer im weiten Rund. Insgesamt dominieren die ruhigen Töne, reihen sich in transparenter wie harmonisch kongruenter Vielgestaltigkeit zu Melodien, spinnen sich zu einer schlüssigen Folge aus sachtem Groove und kontemplativer Sanftmut, Bewegung und Verharren, kreativer Neugier und ruhigem Blick für die „Directions“ im „Spirit Of Passion“. Das gerade ist ja das Geheimnis der Polyphonie, dass sie die Selbständigkeit der waagrechten Tonlinien in klarem harmonischem Verlauf zusammenschließt, dass einzeln gesponnene Fäden bei größtmöglicher Unabhängigkeit zu einem gemeinsamen harmonisch-logischen Ganzen sich verknüpfen. Da bringt dann die formale Strenge des „pandiatonischen Kanons“ ein beeindruckend lebendiges Maß an substantieller Freiheit hervor.