Dietmar Schönherr – George Gruntz | 26.11.2004

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Seit dreißig Jahren sind sie nun schon befreundet, der welterfahrene Schweizer Pianist George Gruntz und der österreichische Schauspieler Dietmar Schönherr, der heute auch zumeist in der Schweiz lebt, wenn er nicht gerade seiner Liebe zu Nicaragua frönt. Gemeinsam standen Gruntz und Schönherr im Neuburger Birdland auf der Bühne zur dritten Folge der losen Reihe „Jazz und Lesung“. Mit der Rede des Häuptlings Seattle an den Präsidenten der USA aus dem Jahr 1855 verdeutlichten sie einmal mehr: „Wir sind ein Teil der Erde.“

Ob der „Sokrates des Nordwestens“ die berühmte Rede tatsächlich je so gehalten hat, lässt sich mangels genauer historischer Quellen wohl kaum mehr klären. Seattle wurde gleichwohl zu einer Kultfigur der Öko-Szene und die überlieferte Version der Rede dürfte das meist zitierte Werk zumindest ansatzweise indianischen Ursprungs sein. Wie dem auch sei: Der für Dietmar Schönherr nach wie vor hochaktuelle Text entfaltet in der mit erfreulich wenig Pathos versehenen Rezitation des Schauspielers einige Intensität und nachdenkliche innere Bewegung. George Gruntz untermalt den Vortrag am Bösendorfer mit kleinen, zuweilen ironischen Einwürfen, die den bitteren Realismus dessen erahnen lassen, der den Fortgang der Geschichte kennt und weiß: Wir leben nach wie vor vom Land der Armen anderswo und vom Erbe unserer Nachkommen. Ganz Ohr für die Stimme des Textes und seine Frage nach der Achtung vor den Geschöpfen sowie mit einem guten Gespür für die Notwendigkeit von Pausen hält Gruntz‘ Piano die Lesung in der Balance, bewahrt einerseits einen zu naiven Zugang zum Vorgetragenen vor der Kitschgrenze, aktualisiert das Vorgetragene andererseits mit großer Ausdrucksfülle.
Der – wesentlich bessere – zweite Teil von Lesung und Konzert zeigt die improvisatorische Klasse des pianistischen Tausendsassas Gruntz dann noch einmal von einer anderen Seite. Der „weiße Neger“ aus der Schweiz verfügt über einen ganz eigenen Stil, eine Art musikalisches Esperanto zwischen Klassik, Jazz, Neuer Musik und persönlicher Kreativität. Empathisch findet er sich in den Dialog mit den authentisches Engagement atmenden Texten, die Schönherr aus seinem selbst verfassten Buch „Nicaragua mi amor“ vorträgt. Die satirisch-ironischen Geschichten mit ihrem melancholischen Wirklichkeitsbezug finden in Gruntz nicht nur einen kongenialen polyglotten Kommentator, sondern einen Partner, der seinerseits – im musikalischen Idiom – Geschichten von imaginativer Dichte beizutragen versteht.