Dietmar Schönherr – George Gruntz | 26.11.2004

Donaukurier | Steffen Becker
 

Sein berühmtester Ausspruch war und ist ein Leitspruch für Umwelt- und Naturschützer: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen, werden die Menschen feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“ Das Zitat entstammt einer Ansprache des Indianerhäuptlings Seattle aus dem Jahre 1855. Der Schauspieler Dietmar Schönherr ( „Raumpatrouille Orion“) trug sie vor. Im Jazzclub „Birdland“. Begleitet vom Pianisten George Gruntz . Ein zeitloser Appell. Denn Seattles Rede, eine Antwort auf das Ansinnen des damaligen US-Präsidenten Franklin Pierce, das Land der Indianer zu kaufen, spricht über eben jene existentiellen Themen, mit denen die Menschheit unverändert zu kämpfen hat – Zusammenleben der Kulturen, Respekt für die Umwelt, verantwortungsvoller Umgang mit Macht.

Die Worte des Eingeborenen an den „großen Häuptling in Washington“ sind die Mahnung eines Sterbenden an seine Nachfolger. „Mein Volk ist wie eine ablaufende Flut – aber ohne Wiederkehr. Euer Volk macht Gott stärker – Tag für Tag.“ Seattle wird den Stärkeren nachgeben, auch wenn ihm der Gedanke, den Himmel oder die Wärme der Erde zu verkaufen, fremd ist. Doch Seattle weicht nicht, ohne ein letztes Mal den weißen Mann zu bitten, seine fatale Einstellung zur Natur wenigstens zu überdenken. „Die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde. Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was immer Ihr dem Gewebe antut, das tut Ihr euch an. Alles ist verbunden.“

Dieser Zusammenhang wird dem modernen Wohlstandsbürger wohl erst deutlich, wenn er das Elend mit eigenen Augen sieht, das der Mensch anzurichten vermag. Dietmar Schönherr ist solch ein Augenzeuge. Seit 1985 schiebt er Selbsthilfeprojekte in Nicaragua, seiner „unwirschen Geliebten“, an. Das Land litt lange Jahre unter einem Bürgerkrieg. „Denn vor allem schätzen wir das Recht eines jeden Menschen, so zu leben, wie er es selber wünscht – gleich wie verschieden er von seinen Brüdern ist“, sagte Häuptling Seattle. Weder für die Indianer noch für Nicaragua ging die Hoffnung in Erfüllung. Die US-Regierung unterstützte in den 80ern Todesschwadrone in dem lateinamerikanischen Staat. Die Herrschaft linker Rebellen, die zuvor den USA-freundlichen Diktator Somoza gestürzt hatten, war ihr ein Dorn im Auge. In jüngster Vergangenheit brachen Naturkatastrophen wie der Hurrikan Mitch 1998 über Nicaragua herein.

Dietmar Schönherr erzählte von seiner Arbeit dort, zu der immer auch kreative kulturelle Projekte gehören, las aus seinem Buch „Die blutroten Tomaten der Rosalía Morales“ – bedrückende, aber auch augenzwinkernde Berichte über den Alltag einer trotz allem fröhlichen Bevölkerung. Sie hat noch die Hoffnung, leben zu können. Häuptling Seattles Volk konnte nicht überleben – wie er es vorausgesehen hatte. Aber seine Worte und ihre Aktualität blieben. „Meine Worte sind wie Sterne, sie gehen nicht unter.“?