Philippe Loli Barock & Jazz Trio
(Im Rahmen der 75. Neuburger Barockkonzerte) | 07.10.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Es ist Tradition, dass eine Veranstaltung im Rahmen der Neuburger Barockkonzerte im Birdland stattfindet. So ist es auch in diesem Jahr, in dem die Barockkonzerte zum 75. Male durchgeführt werden, als das Philippe Loli Barock & Jazz Trio die Bühne unter der ehemaligen Hofapotheke betritt.

Loli, der monegassische Gitarrenvitruose, hat zusammen mit seinem Sohn Giuliano am Klavier und Matthias Well, dem Sohn des ehemaligen Biermösl Blosn-Musikers Michael Well, ein Trio auf die Beine gestellt, das, wie der Name bereits sagt, geradezu prädestiniert ist, eine Annäherung zwischen den beiden Polen zu versuchen. „Barock oder Jazz?“ fragt Loli zwischendurch mal seine Mitstreiter, noch untentschieden über den weiteren Fortgang des Programms. Eine Frage, die aber nur wegen des Ausgangs- punkts des nächsten Stückes interessant ist, nicht aber wegen dessen Verlauf, denn meistens vermischt sich ja sowieso alles, Bach mit Tango, Vivaldi mit Samba, Chanson mit Swing.

Puristen aus beiden Lagern mögen die Nase rümpfen angesichts all dessen, was man je nach Genre Crossover oder Fusion nennt, aber Ultras haben an diesem Abend, wären sie überhaupt anwesend, eh keine Chance. Zu vielfältig sind die Querverbindungen und Berührungspunkte zwischen den Genres, wobei es ja nicht mal um Klassik und Jazz alleine geht, sondern auch um iberische und lateinamerikanische Musik, um den „Louisiana Blues“ und um „Smile“, das Charlie Chaplin zugeschrieben wird.

Der Beginn ist erstaunlich verhalten, das Trio gibt sich zurückhaltend. Noch erklingen Bach und Vivaldi in Reinform. Dann tastet man sich vor. Der „Tango del Mar“, der „Blue Waltz“ und Henri Salvador’s „Syracuse“ sorgen für Frischluft, der Improvisationsanteil wird größer und größer, das Trio immer lockerer. Es folgen „Samba Maria“ und „Bossa de Bahia“ und schließlich landet das Trio beim „Minor Swing“, der legendären Koproduktion von Django Reinhardt und Stéphane Grapelli. Längst ist alle Zurückhaltung aufgegeben, auch die des Publikums. Vor allem Matthias Well outet sich von Minute zu Minute mehr als Teufelsgeiger, der sich im Gypsy Swing, der zum Ende des Abends hin immer mehr die Oberhand gewinnt, anscheinend pudelwohl fühlt. Womit die Band nicht nur gehörig punktet, sondern nebenbei auch noch den perfekten Anknüpfungspunkt liefert zum Eröffnungskonzert des Birdland Radio Jazz Festivals, in dem am kommenden Donnerstag mit Gypsy Today im Ingolstädter Audi Forum eine echte Supergroup des Sinti Jazz zu hören und zu sehen ist.

Bei Philippe Loli und seinen Weggefährten kann man sehen, wie durchlässig die Grenzen zwischen den einzelnen Genres mittlerweile sind. Vorsichtiges Annähern, scheuer Flirt, innige Umarmung, schließlich mutige Adaption, vielleicht sogar Adoption. Und das Publikum ist begeistert. Nicht weniger als vier Zugaben belegen dies eindeutig. Wie spannend doch bisweilen ein Blick in die Gefilde jenseits des Tellerrandes sein kann. Ultras kriegen das natürlich nicht mit. Selber schuld.