Philip Catherine – Paulo Morello Trio | 18.11.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Kann Musik Balsam für die Seele sein, heilende Wirkung entfal­ten, einem ein Lächeln ins Gesicht zau­bern, das Herz öffnen? In seltenen Mo­menten kann sie das. Glücklich zu schät­zen ist der, der Ohrenzeuge eines solchen wird und ihn auch zu würdigen weiß. Wie zum Beispiel die Menschen, die sich aufgemacht hatten, dem Philip Catheri­ne-Paulo Morello Trio im Birdland zu lauschen.

Der Belgier Catherine, seit Jahrzehnten einer der wichtigsten Gitarristen des eu­ropäischen Jazz überhaupt, Paulo Morel­lo, einer der versiertesten Vertreter an den sechs Saiten hierzulande, dazu das Bass-Ass Sven Faller – das ergibt an die­sem vorletzten Abend des Birdland Ra­dio Jazz Festivals ein Dreamteam, das ganz einfach großartig ist, aber nicht im Sinne von spektakulär. Die drei bevorzu­gen die leisen Töne, spielen wunderschö­ne Melodien in edlem Klangbild und fili­grane, raffinierte Linien. Musik von Äs­theten für Ästheten, vorgetragen mit be­törender Eleganz, serviert mit leisem Hu­mor. Diese Musik geht unter die Haut. Wenn man länger zuhört, was man bei einem Livekonzert gottlob ja darf, kann es sein, dass man ihr verfällt.

Catherine und Morello haben Stücke Menschen gewidmet, die ihnen beson­ders wichtig sind. Sie heißen „Louisel­la“, „To Martine“ und „Clau­dia’s De­light“. Wer so beschenkt wird, darf sich wahrlich glücklich schätzen. Der Klassi­ker „I’ll See You In My Dreams“ gehört in der Version dieses Trios in jedes Lehr­buch, all die übrigen Eigenkompositio­nen der beiden Gitarris­ten auch. Nur leicht verstärkte Instru­mente, absolute Präzision im Zusam­menspiel, hinreißen­de Arrangements, in denen für jeden Ton der einzig richtige Platz vorgesehen ist, die aber auch Luft lassen für spontane Ideen, das blinde Verständnis der drei Musiker untereinan­der. – Vermutlich kommt das, was man an diesem Abend im Birdland zu hören bekommt, der Bezeichnung „perfekt“ ziemlich nahe. Wenn der eine soliert, nehmen ihn die beiden anderen augen­blicklich unter ihre Fittiche, betten ihn liebevoll. Hier gibt es keine Konkur­renz, im Gegenteil, das Trio ist eine ab­solute Einheit, in der die Nähe der Betei­ligten untereinander entscheidend ist, in der der eine schon lange im Voraus zu wis­sen scheint, was der andere vorhat.

In der Schönheit, der Lieblichkeit, der Anmut der Musik liegt auch ihre Kraft. Wobei erstere ebenso weit entfernt ist von hirnlosem esoterischem Fließ­band-Gedudel wie letztere von Power rein um des Effektes willen. Nein, Schönheit, Liebreiz und Kraft sind in diesem Fall nicht aufgesetzt, sondern kommen von innen, was das Publikum im ausverkauf­ten Saal natürlich spürt und ein ums an­dere Mal mit Szenenapplaus quittiert. Und als man dann schließlich nach die­sen beiden denkwürdigen Stunden den Club verlässt und hinaustritt in die un­wirtliche, regnerische Nacht, kann es so­gar sein, dass einem das Wetter plötzlich völlig egal ist und einem die Welt ein kleines Stück freundlicher vorkommt. Was für eine tolle Form der Therapie!

Ausgestrahlt wird der Mitschnitt am Freitag, 17. März, in der Sendung „Jazz auf Reisen“ ab 23.05 Uhr auf BR Klas­sik.