Peter Weiss „The Good View“ | 12.06.2021

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Die Ansage von Peter Weiß war ein wenig kokett. „Jetzt spielen wir ein Stück über einen Ort, wo wir alle mal hinkommen, die Nummer heißt heaven“. Ob alle im Publikum des Birdland Jazzclubs irgendwann im Himmel landen werden, mag dahingestellt sein. Die fünf Musiker auf der Bühne aber, darüber dürfte nach ihrem Auftritt in Neuburg kein vernünftiger Zweifel sein, können sich auf einen reservierten Platz im Jazzer-Himmel schon mal freuen.

Es war bewegend, wie dieses Quintett nicht nur die Nummer namens „heaven“ zelebrierte. Jeder der fünf Musiker trägt zu einem warmen, klaren und auch hochemotionalen Sound seinen Teil bei. Mit virtuosem Können sowieso und vor allem mit musikalischer Individualität. Intensiv und leicht zugleich wird hier musiziert, die kurzen Motive und die ausgeprägten Soli schweben durch den Raum und verschmelzen zu einem ganz eigenen Klangbild.

Nehmen wir den Trompeter Ryan Carniaux. Was dieser Kanadier aus einem Flügelhorn und einem Cornett herausholt, ist gelinde gesagt ungewöhnlich. Der Klang erinnert manchmal an eine Posaune, dann wieder fast an ein Waldhorn, Carniaux entfaltet lyrische Kraft in der Tiefe und bricht dann wieder irgendwo ganz oben in extatische Gefilde aus.

Dabei musiziert Carniaux in vielen Passagen auf beste kammermusikalische Art mit seiner Bläser-Partnerin Kristina Brodersen am Altsaxofon. Da hören zwei Profis wirklich aufeinander, im wilden parallelen Duo genauso wie bei den Soli. Kristina Brodersen gibt nebenbei noch ein Lehrstück darüber, wie viel Eleganz in einem Saxofon stecken kann.

Diese Qualität zeichnet alle fünf Musiker aus. Peter Weiss am Schlagzeug hält diesen exquisiten Jazz-Laden konzentriert und locker zusammen, er motiviert seine Kombattanten zur Lust an der Improvisation und streut auch verrückte Soli ins Geschehen ein. So entstehen dichte Kabinettstücke wie etwa die Titel „Lichtspielhaus“ und „free fall“.

Sebastian A. Sternal am Bösendorfer-Flügel ist ein Künstler des feinen Pianissimo und des zupackenden, aber nicht dominanten Forte in gleichem Maße. Die spontane Variation von Klangfarben und das Improvisieren über Motive, die er aus den Soli der anderen herausnimmt und in eine eigene Welt verwandelt, zeichnen ihn aus.

Dass dieser Pianist auch einen großen Soloabend geben kann, das hat er schon eindrucksvoll bewiesen, aber hier hat er eine andere Funktion. Und er nimmt sie voll an. Es ist ein Genuss, genau hinzuhören, wie Sternal den kunstvoll geknüpften Klangteppich bereitlegt, auf dem die anderen dann musikalisch spazieren gehen. Zu diesem Fundament steuert der Mann am Kontrabass einen bedeutenden Part bei. Locker und klar gibt er die rhythmischen Impulse, er gleitet flott über das Griffbrett hinauf und hinunter und reizt seine solistischen Möglichkeiten aus.

Sollte im Himmel mal Bedarf an einer Jazz-Soiree sein: Diese Quintett um Peter Weiss wäre eine gute Wahl.