„What Comes Next?“ Was kommt als nächstes? – Allein schon mit dem Titel des während des Lockdowns 2020 in New York eingespielten Albums widmet sich der Gitarrist Peter Bernstein der Frage nach den persönlichen Perspektiven damals weggesperrter Musiker. Wie würde es weitergehen nach der Pandemie?
Das Konzert, das er zusammen mit seinen großartigen Kollegen Doug Weiss am Kontrabass, Roberto Gatto am Schlagzeug und Sullivan Fortner am Klavier im Birdland Jazzclub in Neuburg gibt, gibt eine erste Antwort. „Simple As That“, zu deutsch „So einfach ist das!“, heißt das Stück, das er zusammen mit Larry Goldings und Bill Stewart bereits 2014 einmal aufgenommen hatte und das das aktuelle Album und auch das Konzert zwei Jahre später nun eröffnet. – So einfach? Nun ja, diese zwei Stunden zwischen Mainstream und Modern Jazz sind natürlich eine Sache für Genießer, für die entspannte Schönheit dieser Kompositionen braucht man kein Jazz-Abitur. Es fühlt sich ganz unglaublich gut an, sich mit der Band treiben zu lassen, sich Stücken wie „Hidden Pockets“, „Lullaby For B.“ oder dem eigentlich noch namenlosen „Waltz Of The Donau“ einfach widerstandslos zu ergeben. Insofern ist alles ganz einfach, ja, aber nicht einfach im Sinne von schlicht.
Denn hinter den auf makellose Weise vorgetragenen Figuren Bernsteins, in denen ab und zu der große Jim Hall herumgeistert, hinter den Querverweisen an Thelonious Monk von Seiten des Pianisten, hinter der zärtlichen Lässigkeit der Balladen und dem griffigen Groove etwa von „Jive Coffee“, das eigentlich auf dem Klassiker „Tea For Two“ basiert, steckt jede Menge Raffinesse. In der Ausführung einerseits, in der Programmauswahl andererseits. „Libra“ von Gary Bartz und damit lupenreiner Bebop steht einträchtig neben Percy Mayfield’s „Danger Zone“ und dem Soul der Sixties, Sonny Rollins’s selten zu hörender Calypso „Newark News“ neben einer überragenden Version des Klassikers „Love For Sale“. Wenn diese Band sich all dieser Komponenten annimmt, fügt sich alles scheinbar völlig problemlos zusammen, einfach so, und man denkt unwillkürlich, es stamme alles aus einer, nämlich Bernstein’s Hand.
Die Band, die zwischen ihren beiden Konzerten in Berlin und Tallinn kurz mal eben in Neuburg Station macht, ist handverlesen. Fortner ist bekannt als tragende Säule der Ensembles von Roy Hargrove und Dave Liebman, Roberto Gatto hat selber 17 Alben veröffentlicht und war Bandmitglied bei Pat Metheny, Phil Woods und John Abercrombie und Doug Weiss in nämlicher Funktion zusammen mit Chris Potter und Lee Konitz unterwegs. In Bernstein’s Quartet verschmelzen sie zu einer Einheit und stehen für absolute Kompaktheit trotz eigentlich stets recht transparent anmutender Kompositionen und luftiger Arrangements. Vier so herausragende Einzelpersönlichkeiten müssen nicht zwangsläufig als Kollektiv eine Einheit ergeben. Hier freilich tun sie es auf beispielhafte Weise. „Welcome back at Birdland Mr. Bernstein!“, hatte das Programmheft bereits vor dem Auftritt erwartungsfroh die Gäste von der Ostküste begrüßt. Diesen Satz kann man gerne wiederholen, mit dem Zusatz „As soon as possible, please!“