Peter Bernstein Quartet | 28.10.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

„What Comes Next?“ Was kommt als nächstes? – Allein schon mit dem Titel des während des Lock­downs 2020 in New York eingespielten Albums widmet sich der Gitarrist Peter Bernstein der Frage nach den persönli­chen Perspektiven damals wegge­sperrter Musiker. Wie würde es weiterge­hen nach der Pandemie?

Das Konzert, das er zusammen mit sei­nen großartigen Kollegen Doug Weiss am Kontrabass, Roberto Gatto am Schlagzeug und Sullivan Fortner am Klavier im Birdland Jazzclub in Neuburg gibt, gibt eine erste Antwort. „Simple As That“, zu deutsch „So einfach ist das!“, heißt das Stück, das er zusammen mit Larry Goldings und Bill Stewart bereits 2014 einmal aufgenommen hatte und das das aktuelle Album und auch das Kon­zert zwei Jahre später nun eröffnet. – So einfach? Nun ja, diese zwei Stunden zwischen Mainstream und Modern Jazz sind natürlich eine Sache für Genießer, für die entspannte Schönheit dieser Kompositionen braucht man kein Jazz-Abitur. Es fühlt sich ganz unglaublich gut an, sich mit der Band treiben zu las­sen, sich Stücken wie „Hidden Pockets“, „Lullaby For B.“ oder dem eigentlich noch namenlosen „Waltz Of The Donau“ einfach widerstandslos zu ergeben. Inso­fern ist alles ganz einfach, ja, aber nicht einfach im Sinne von schlicht.

Denn hinter den auf makellose Weise vorgetragenen Figuren Bernsteins, in de­nen ab und zu der große Jim Hall herum­geistert, hinter den Querverweisen an Thelonious Monk von Seiten des Pianis­ten, hinter der zärtlichen Lässigkeit der Balladen und dem griffigen Groove etwa von „Jive Coffee“, das eigentlich auf dem Klassiker „Tea For Two“ basiert, steckt jede Menge Raffinesse. In der Ausführung einerseits, in der Programm­auswahl andererseits. „Libra“ von Gary Bartz und damit lupenreiner Bebop steht einträchtig neben Percy Mayfield’s „Danger Zone“ und dem Soul der Six­ties, Sonny Rollins’s selten zu hörender Calypso „Newark News“ neben einer überragenden Version des Klassi­kers „Love For Sale“. Wenn diese Band sich all dieser Komponenten annimmt, fügt sich alles scheinbar völlig problem­los zusammen, einfach so, und man denkt unwillkür­lich, es stamme alles aus einer, nämlich Bern­stein’s Hand.

Die Band, die zwischen ihren beiden Konzerten in Berlin und Tallinn kurz mal eben in Neuburg Station macht, ist hand­verlesen. Fortner ist bekannt als tragende Säule der Ensembles von Roy Hargrove und Dave Liebman, Roberto Gatto hat selber 17 Alben veröffentlicht und war Bandmitglied bei Pat Metheny, Phil Woods und John Abercrombie und Doug Weiss in nämlicher Funktion zusammen mit Chris Potter und Lee Konitz unter­wegs. In Bernstein’s Quartet verschmel­zen sie zu einer Einheit und stehen für absolute Kompaktheit trotz eigentlich stets recht transparent anmutender Kom­positionen und luftiger Arrangements. Vier so herausragende Einzelpersönlich­keiten müssen nicht zwangsläufig als Kollektiv eine Einheit ergeben. Hier frei­lich tun sie es auf beispielhafte Weise. „Welcome back at Birdland Mr. Bern­stein!“, hatte das Programmheft bereits vor dem Auftritt erwartungsfroh die Gäs­te von der Ostküste begrüßt. Diesen Satz kann man gerne wiederholen, mit dem Zusatz „As soon as possible, please!“