Paul Kuhn Trio, feat. Greetje Kauffeld | 14.03.2002

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

(Audi Forum Ingolstadt)

Ein Typ so richtig zum Knuddeln. Wie Paulchen da mit seinem zerknautschten, wettergegerbten, immer leicht traurigen Gesicht auf seinem Klaviersessel kauert, das hat durchaus etwas Anziehendes, Possierliches. Und spielen kann er auch. Oder besser: Seine Finger behände-lustvoll übers Elfenbein hüpfen zu lassen.

74 Jahre ist der Mann, wegen dem der Kinosaal des Audi-Forums diesmal bis auf den letzten Platz ausverkauft ist, ein paar Tage zuvor geworden. Ein reifes, vielleicht zu reifes Alter für einen, der noch einmal seine Bildschirmerfolge von einst aufwärmen möchte. Aber allemal jung genug, um sich gar furchtlos in das Abenteuer der Improvisation zu stürzen. Mit einem wie geschmiert funktionierenden Trio um den wendigen, ungeheuer Pizziccato sicheren Bassisten Paul G. Ulrich sowie den mächtig mit den Besen schaufelnden Schlagzeuger Kurt Bong dringt Paul Kuhn bedächtig, aber dafür um so intensiver ins Innenleben bekannter amerikanischen Standards vor. Und jeder im Forum spürt, dass der pfiffige Berliner dies nicht etwa tut, weil ihm nichts anderes mehr übrig bleibt, sondern weil er schlicht wieder zuhause ist: in der bunten, warmen, familiären Welt des Jazz.

Dort sind zwar die Bühnen und Gagen kleiner, als weiland bei den großen Fernsehgalas, das Publikum aber dafür um so herzlicher und die Atmosphäre offener. Genau das, was ein Musiker nach einer solch bewegten Karriere im niemals erlöschenden Rampenlicht braucht. Der Jazz umschlingt Kuhn mit offenen Armen, und der zahlt es mit barer Münze zurück. Sorgsam koloriert er ehedem ungezähmte Themen wie Charlie Parkers „Anthropolgy“, verwandelt sie in ein feines, edles Swinggericht und schafft es, mit seiner gründelnden Rechten über „A foogy Day in London“ einen leichten Nebelschleier aufziehen zu lassen.

Paulchen, dieses Phänomen der Vielseitigkeit, kann auf Knopfdruck umschalten. Für die holländische Sängerin Greetje Kauffeld etwa, die nach ihrem krankheitsbedingten Ausfall im Januar doch noch nach Ingolstadt kam, gibt er den eleganten, unaufdringlichen Begleiter alter Schule und ordnet sich vollkommen unter. Die Alt-Diva und der Pianist kennen einander seit der Hochphase des europäischen TV-Showbiz. Doch an Kauffeld ist die Zeit leider weniger spurlos vorüber gegangen. Ihr samtenes Organ wirkt weitgehend drucklos, die Phrasierung verrutscht ab und an, wobei sich Kuhn und seine Kumpane jedes Mal im gleichen Maße zurücknehmen, damit der Unterschied nur ja nicht auf Anhieb ins Ohr des geneigten Publikums springt.

Als der Mann am Klavier seine Partnerin schließlich zu einem Duett auffordert („Weißt Du noch, vor 40 Jahren…?“) und sich beide beseelt über „Our Love is here to stay“ anschmachten, wird der Unterschied offenkundig: Obwohl die Kauffeld über die geschultere Stimme verfügt, atmet der genuschelte Singsang Kuhns aus jeder Pore schlicht mehr Feeling, den rauchigen Duft der Blue Notes, die durchwachten, durchzechten Nächte. Einfach ein ganzes Leben im Joch der Musik.

Der Jazz kennt an diesem Abend einen klaren Punktsieger, abzuleiten aus den frenetischen Reaktionen des Auditoriums, das sich zwei Zugaben erklatscht. Paulchen, Paulchen, mach doch weiter…