Paul Kuhn Trio feat. Greetje Kauffeld | 30.04.1998

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Der Mann am Klavier bevorzugt heute Weißwein. Und statt seiner sattsam bekannten Moritat vom fehlenden Bier auf Hawaii singt er diesmal „The Lady Is A Tramp“ und andere lässige Songs der Großstadt. Ist das noch „unser“ Paulchen, wie er da so versunken hinter dem Bösendorfer-Flügel des rappelvollen Neuburger „Birdland“-Jazzclubs sitzt und fingerfertig-kunstvoll an verquerten Jazzimprovisationen feilt?

Kein Zweifel. Doch Paul Kuhn, die Ikone der deutschen TV-Unterhaltung, demontiert höchstpersönlich seinen blitzblanken Sockel des smarten, omnipräsenten Showstars. Mit nunmehr 70 Jahren will der populäre Entertainer, Bigbandleader und Komödiant zum Ursprung seiner beispiellosen Karriere zurück. Dorthin, wo er heute vorgibt, sich trotz des Ruhms stets am wohlsten gefühlt zu haben: in die grenzenlos weiten Arme des Jazz.

Aber läßt sich der fast 50 Jahre zurückliegende Höhepunkt seiner persönlichen Swing-Glücksseligkeit in den GI-Clubs oder bei den „German Allstars“ so mir-nichts, dir-nichts einfach wiederbeleben? Schließlich geht auch an einem mit allen Wassern gewaschenen Musiker die Zeit kaum spurlos vorüber. Dennoch muß es einfach ein hohes Maß an Respekt abfordern, wenn sich ein rettungslos vorbelasteter, (oft zu Unrecht) als seichter Schlagerfuzzi abgestempelter Mann mit geradezu kindlichem Feuereifer zu seiner lange verschmähten Leidenschaft bekennt.

Kuhn schafft tatsächlich eine Art Quadratur des Kreises: er überrascht das überkritische Stammpublikum eines Jazzkellers mit behender, mehr als nur beliebig-durchschnittlicher Pianistik und lockt gleichzeitig mit seinem Namen Menschen ins „Birdland“, die unter normalen Umständen wohl kaum jemals einen Fuß dorthingesetzt hätten. In der 40jährigen Geschichte des Neuburger Jazzclubs gab es sicherlich schon Tastenvirtuosen, die mit dem schwarzweißen Elfenbein kunstvoller umgehen konnten; das weiß auch Paul Kuhn. Er spielt, was er kann, ohne Schnörksel oder aufgesetzte Kapriolen. Und er kann durchaus eine ganze Menge.

Paulchens geschwinde Finger tupfen, perlen, hämmern, er beherrscht die spritzige Stridetechnik ebenso, wie die Dynamik des Bebop. Ein Phänomen der Vielseitigkeit, das nun weidlich von seiner im jahrzehntelangen Umgang mit fast jeder bekannten Note der populären Musik erworbenen professionellen Disziplin zehren kann. Stets eleganter, delikater, unaufdringlicher Begleiter alter Schule, ordnet er sich zusammen mit Paul Imm (Kontrabaß) und Hans Braber (Drums) nahezu vollkommen der holländischen Alt-Diva Greetje Kauffeld unter. Die Sängerin und der Pianist kennen einander seit der Blütezeit des europäischen TV-Showbiz und trafen sich erst Stunden zuvor zur ersten gemeinsamen Probe in Neuburg.

Wohl auch ein Grund für die auffällig improvisierte Routine im ersten Set. Vom zähen Beginn verankerten sich bloß die Vokalduette zwischen Kauffeld und Kuhn im Gedächtnis. Vom gelungeneren Finale, bei dem Changes und Breaks klappten, endlich die Chemie stimmte, dagegen feine Balladen wie „The Shadow Of Your Smile“ und vor allem die Zugabe „They Can`t Take That Away From Me“. Allesamt mitnichten hochwertige Swing-Delikatessen. Aber sie addierten sich zu einem vergnüglichen, leicht verdaulichen Abend, bei dem in der Hauptsache ein Jazzer namens Kuhn die Chance zum Einstieg in eine neue Karriere beim Schopf gepackt hat.