Paul Kuhn Trio | 07.09.2001

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Ein Fernsehgesicht. Eines der bekanntesten, das Deutschland je zu bieten hatte. Und seltsamerweise ohne größere erkennbare Veränderungen, weil Paul Kuhn ja schon immer (und das durchaus im positiven Sinn) wie ein geläuterter 73-Jähriger in unsere Wohnzimmer flimmerte.

Nun steht er da, mitten im Neuburger „Birdland“, wo er die neue Konzertsaison einläuten soll, und hält seine Zigarette wie ein Symbol der wiedergewonnenen Freiheit in Händen. Paulchen hat dem Bier auf Hawaii abgeschworen, Thoelke, Rosenthal und andere Weggefährten aus den Wirtschaftswunderjahren sowie einen bodenlosen Karriereabsturz in den 80ern überlebt und zieht nun die radikale Konsequenz aus dem Dasein eines vermeintlich auf ewig gebrandmarkten Schlagerfuzzis: Er sattelt um, demontiert sein eigenes Image.

Paul Kuhn, diese chronisch grinsende, personifizierte Samstagabend-TV-Berieselung im Smoking, will zurück zum Ausgangspunkt seiner Karriere in den 40ern und 50ern, als er einen frühen teutonischen Gegenpol zur überschwappenden amerikanischen Musikinvasion schuf. Der Auftakt zu dieser Rolle rückwärts war noch vor drei Jahren teilweise mitleidig belächelt worden. Nun jedoch gibt es Paulchen, den Showstar, definitiv nicht mehr. Dafür den Jazzmusiker Kuhn, der im voll besetzten Hofapothekenkeller manch unerwartetes Staunen auslöste.

Die überfällige Anerkennung als veritabler Jazzpianist. Dass die lange Historie dieses Genres eine ganze Menge Tastenvirtuosen hervorbrachte, die mit dem schwarzweißen Elfenbein kunstvoller umgingen, weiß auch Paul Kuhn. Er spielt, was er kann, ohne Schnörksel oder aufgesetzte Kapriolen. Und er kann durchaus eine Menge. Seine Finger tupfen dezent, perlen flink, hämmern treibend (wenn auch manchmal ein wenig zu perkussiv). Spritziger Stride („Just Friends“) bereitet ihm ebenso wenig Probleme wie gründelnder Blues („Centerpiece“) oder sanft dahin fließender Bossa („Wave“).

Ein Phänomen der Vielseitigkeit, das nun weidlich von seiner im jahrzehntelangen Umgang mit jeder populären Note erworbenen professionellen Disziplin zehren kann. Auch wenn das Trio mit dem Bassisten Gary Todd und dem Schlagzeuger Kurt Bong ein bisschen schwer in Fahrt kommen will, nimmt ausgerechnet das Piano dessen Herausforderung an und offenbart den launigsten Paul Kuhn, den wir bislang kannten.

Seine neue/alte Welt sind die Standards, das Great American Songbook und die Geschichten über Cole Porter, Irvin Berlin oder die Gershwin-Brüder, seine große Stärke die wenigen Balladen wie „Polkadots and Moonbeams“, die schlicht und ohne billige Gimmicks daherkommen. Kuhn hat die Essenz der atmenden Pause entdeckt, lässt gerne nachklingen und hüllt jeden Takt in eine ganz besondere Wärme und Weichheit ein.

Auch wenn das Dargebotene mehr als problemlos durch den Gehörgang rutschte und Innovation an diesem Abend ein Fremdwort blieb: Gebt dem Mann am Klavier eine ehrliche, vorurteilsfreie Chance. Er hat sie verdient.