Gut, vier Tage vor Hl. Abend darf es im Birdland-Keller auch einmal richtig besinnlich zugehen. Wo sonst der elegante Bösendorfer-Flügel seinen Klang entfaltet, der Bass und das Schlagzeug für Schwung und Rhythmus und Saxofone, Posaunen oder Trompeten für satten Sound und betörende Melodien sorgen, ging es diesmal – was die Instrumentierung angeht – eher spartanisch zu. Zwei akustische Gitarren, mehr war auf der Bühne im Hofapotheken-Keller nicht zu sehen.
Und das Duo Paul Brändle und Andreas Dombert, das sich die große Aufgabe gestellt hat, in die übergroßen Fußstapfen der legendären Meistergitarristen Helmut Kagerer und Helmut Nieberle zu treten, spielte auch noch über weite Strecken irgendwo zwischen Mezzopiano und Pianissimo. Manchmal glaubte man, die Augen zum intensiven Hinhören schließend, Lautenklänge aus längst vergangenen Zeiten zu vernehmen.
Minimal music für Gitarre(n), wie es Andreas Dombert nennt, ist ein treffender Titel für diese Art einer ganz feinen, oft ganz leisen und in den musikalischen Mitteln (scheinbar) ganz einfachen Jazz-Kunst. Aber wie diese beiden hoch engagierten, auf den Punkt konzentrierten und mit jugendlicher Risikobereitschaft sehr frei improvisierenden Gitarren ihre Stücke präsentieren, das macht aus minimal music maximalen Genuss. Zu besinnlich, zu verhalten wirkt da nichts, auch wenn sich oft auf den ersten Blick und beim ersten Hinhören nicht viel zu tun scheint auf der Birdland-Bühne.
In Wahrheit haben Dombert und Brändle Aufregendes, ja Sensationelles zu bieten. Nehmen wir „A day in the live of a fool“, besser bekannt unter dem Etikett „Black Orpheus“. Aus dem kurzen, liedhaften Thema, das jeder kennt, entwickeln die beiden ein immer raffinierteres, in verrückte Akkorde entschwebendes, vom spontanen Einfall vorwärtsgetriebenes Kabinettsstück.
Aus diesem, von viel Können und mindestens genauso viel Selbstvertrauen unterlegtem Mut wird gelegentlich auch ein bisschen Übermut. Zum Beispiel in der Nummer „Alone together“. Da steigern sich die zwei Akteure in pure Experimentierlust hinein, da überraschen sie sich gegenseitig mit Ideen, die an manchen Stellen mindestens einen, wenn nicht alle alle beide aus der musikalischen Kurve hinaustragen könnten.
Ein kurzer, schelmischer Blick von Partner zu Partner genügt, um in der Jazz-Bahn zu bleiben, jede leicht verrückte Volte des einen wird geistesgegenwärtig aufgenommen, manchmal auch elegant gekontert. Auf diesem Niveau geht das gut, da gerät keine Nummer ins Wanken oder verliert sich in Anwandlungen der eher chaotischen, manirierten Art.
Vom Publikum erwartet und verlangt dieses Jazz-Duo ein wenig Anstrengung. Da gibt es keine Gitarren-Effekte Richtung Flamenco oder Handgetrommel auf den Gitarren-Corpus. An keiner Stelle fühlt man sich auch nur ansatzweise animiert, vielleicht ein paar Takte lang mit zu klatschen. Und das ist gut so. Mitdenken, sich mitnehmen lassen hinein in die Raffinesse der Eigenkompositionen und die oft sehr eigene Adaption berühmter
Nummern des viel zu früh verstorbenen Altmeisters Helmut Nieberle das ist hier gefragt. Eine kleine Mühe, die sich Fall lohnt.