Pablo Ziegler & Quique Sinesi & Walter Castro | 12.02.2016

Neuburger Rundschau | Barbara Sagel
 

Geht es um den argentinischen Tango und speziell um seine künstlerisch-musikalische Weiterentwicklung, den Tango Nuevo, so ist der Name des Komponisten und Bandoneon-Spielers Astor Piazzolla (1921 – 1992) exemplarisch im kollektiven Gedächtnis der Musikinteressierten verankert. Nun war am Wochenende mit dem Pianisten Pablo Ziegler jemand im Jazzclub Birdland zu Gast, der nicht nur viele Jahre gemeinsam mit dem Meister musiziert hat, sondern jemand, der es im Laufe seiner langjährigen Karriere als Tango-Musiker zu ganz eigenständiger Größe und Bedeutung gebracht hat. Zudem hatte der Argentinier Ziegler zwei seiner Landsleute und beständige Weggefährten dabei, den Gitarristen Quique Sinesis sowie den Bandoneon-Spieler Walter Castro. Gemeinsam präsentierte das Trio vor allem Stücke aus seiner letztjährigen Album-Veröffentlichung „Desperate Dance“, deren Name jedoch ein wenig in die Irre führt. Denn für Tänzer stellt der Tango Nuevo mit seinen rhythmischen Raffinessen und improvisatorischen Überraschungen eher eine Herausforderung dar. „Desperate“ – also verzweifelt – ist dagegen ein Attribut, welches man als Hörer sehr leicht mit dieser tief emotionalen Musik zwischen melancholischer Sehnsucht und sperriger, dissonanter Abweisung assoziiert. Reizvoll brüskiert das Bandoneon mit scharfen Klängen und bringt damit gleichzeitig eine aparte, eine tangotypische akustische Dimension ins Spiel. Virtuos-lässig balanciert Walter Castro sein Instrument auf dem Knie und lässt dabei niemals an seiner musikalischen Bestimmtheit zweifeln. Quique Sinesis fungiert an der akustischen Gitarre mal als Schlagwerker, mal als jazzig „walkender“ Bassist, mal als brillanter „Guitarrista latino“. Pablo Ziegler deckt am Flügel das gesamte emotionale und musikalische Spektrum des Tango Nuevo ab. Gewaltige, konzertante Passagen verdeutlichen die Verbindung des modernen Tangos zur so genannten E-Musik. Schwelgende Improvisationen rücken den 71jährigen Träger des Latin Grammy Awards in die Nähe des Jazz. Reihum nehmen die Musiker unterschiedliche Funktionen innerhalb der Stücke ein. Ein häufig wiederkehrendes und von allen geteiltes Element sind dabei die kontrapunktisch angelegten Figuren in der Begleitung. Sie geben dem jeweiligen Solisten eine reizvolle Basis, einen expressiven Gegenpol zu den Variationen des Hauptthemas. Gleichzeitig schafft ostinate Gleichförmigkeit der Bassfiguren ein meditatives Gefühl der Weite. Murga, Milonga oder Malambo heißen die rhythmischen Spielarten der Kompositionen Pablo Zieglers. Die „Fuga y Misterio“ Astor Piazzollas stellt mit ihrem barocken Prinzip der Imitation einmal mehr die Nähe zur E-Musik her. Eine Beziehung zum Jazz-Rock der 70er Jahre schafft der „Mahavishnu Tango“ –inspiriert durch einen Titel John McLaughlins. Die große Zahl der Zuschauer im ausverkauften Birdland sprach für sich, für die Künstler und sie sprach für den Jazzclub im Apothekenkeller, wo mit Ziegler, Sinesi und Castro wieder einmal Musiker von Weltrang zu Gast waren.