Joe Haider Jazz Orchestra | 29.01.2016

Neuburger Rundschau | Barbara Sagel
 

War Joe Haider im April 2014 noch im Quartett im Birdland erschienen, so hatte sich die Zahl der Mitmusiker bei seinem diesjährigen Auftritt im alten Apothekenkeller sprunghaft erhöht. Am letzten Wochenende umringte ein ganzes Orchester den mit achtzig Lebensjahren wahrhaftig altgedienten deutschen Jazzpianisten Joe Haider. Da gab es mit Daniel Blanc, Dominic Landolf und Thomi Geiger an Klarinetten, Saxofonen und Flöte nicht nur drei Holzbläser, sondern das Blech war mit Claus Reichstaller, René Mosele und Lucas Wirtz an Posaunen, Tuba, Trompete und Flügelhorn ebenso stark vertreten. Raffaele Bossard am Kontrabass und Claudio Strüby am Schlagzeug komplettierten die Jazzcombo. So war jeder Quadratzentimeter der Bühne des Neuburger Jazzclubs musikalisch bereichernd genutzt. Doch damit nicht genug, vor der Bühne hatte eine weitere Bereicherung des Joe Haider Jazz Orchestras, das Kaleidoscope String Quartet seinen Platz gefunden. Entsprechend des Wohnsitzes Joe Haiders in der Schweiz, stammen auch seine Mitmusiker von dort, wo der 1936 in Darmstadt geborene Pianist, Arrangeur, Komponist und Dozent von 1984 bis 1995 die „Swiss Jazz School“ in Bern geleitet hat. Im Laufe des Abends wurden Haiders Qualitäten in jeder der erwähnten Rollen deutlich, angefangen mit jener des Arrangeurs bereits im ersten Stück, „Single Petal of a Rose“, aus Duke Ellington’s Queen’s Suite. Die hat Haider mit einem spannenden Intro von Cello und Alt-Klarinette versehen, denen sich im Schritt für Schritt Geigen, Bratsche, Rhythmusgruppe, Piano und später das Blech hinzugesellen, um gegen Ende, einer nach dem anderen, wieder zu verschwinden, wenn das Cello solo den meditativen Ausstieg bestreitet. Es folgte die Rolle des Dozenten, des Erzählers, der sich der Musiker im Verlauf des Abends sehr zugeneigt zeigte. „Es plauderte Joe Haider“, so der Pianist über sich selbst im Rahmen einer Vorstellungsrunde zum Schluss des Programms. Entsprechend erzählte Haider über den Mut, den es brauche, Duke Ellington etwas hinzuzufügen, über die einschmeichelnde Musik, um weiter plaudernd auf das nächste Stück zu kommen. „Josepha“, sizilianischen Freunden gewidmet, stellte mit Up-Tempo-Swing in rhythmischen Variationen den Komponisten Haider in den Vordergrund. Allein der Pianist Haider blieb über weite Strecken im Hintergrund. Er sei „eher in der Begleitung tätig“, kommentierte der Musiker selbst seine Rolle im Orchester. Das sei gemütlich und mache sehr viel Spaß. Eine solche Gelassenheit kann sich jemand leisten, der nichts mehr beweisen muss. Haiders naturgemäß wesentlich jüngere Mitmusiker hatten somit jede Menge Gelegenheit, selbst solistisch aufzutreten, vom Bandleader am Piano impulsgebend unterstützt. In Haiders Stück „Tears from the Past“ trat die ungewöhnliche musikalische Verbindung der Streich- und Blas-Ensembles besonders reizvoll zutage. Hier steuerte das Streichquartett zur großen Freude der Zuhörer einen bluegrass-angehauchten Walzer aus der Feder des Bratschisten David Schnee bei. Am Ende – dann doch – Joe Haider solo. Mit einer persönlichen Jazzversion von „Guten Abend, gute Nacht“ verabschiedete sich der Pianist auch in diesem Jahr vom Neuburger Publikum.