Pablo Martín Caminero Trio „Al Toque“ | 12.11.2022

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Dieser Abend im Birdland war außergewöhnlich, Und das Publikum zeigte sich mehr als angetan, bekamen die Zuhörer im vollbesetzten Clubkeller doch eine hinreißende, kunstvolle Kombination aus Flamenco und Mainstream-Jazz geboten. Mit einem instrumentalen Wunder: Der Kontrabass verwandelte sich in eine Flamenco-Gitarre, mit schwebend leichtem und zugleich vollem, sonoren Klang.

Man sollte meinen, dass so etwas rein physikalisch gar nicht geht. Aber es funktionierte, auf spektakuläre Weise. Der Tausendsassa Pablo Martín Caminero auf dem geliehenen Bass des Birdland Clubs (sein eigenes Instrument war zu spät aus Spanien eingetroffen) entlockte dem hervorragenden Ersatzgerät so viele einzelne Töne, wie es wohl selten bis nie ein Bassist im Hofapotheken-Keller getan hat.

Das ist der rein technische Aspekt, der einen schon ein ums andere Mal in Erstaunen versetzte, wie die rasanten Flamenco-Motive auf einem Kontrabass überhaupt zu bewältigen sind. Entscheidend aber ist die musikalische Qualität dieses fabelhaft aufeinander hörenden und miteinander konzertierenden Trios. Statt des üblichen Wechsels von Solopartien der einzelnen Musiker spielt sich dieser Abend auf einer anderen Ebene ab: Moises P. Sanchez am Bösendorfer-Flügel, Bagito Gonzales am Schlagzeug und eben Pablo Martin Caminero auf dem Bass musizieren fast durchgehend gleichzeitig, in einer einzigartigen Mischung aus kammermusikalischer Disziplin und der unendlichen Freiheit aller Emotionen, die der Flamenco zu bieten hat.

Klassiker der Flamenco-Größen wie Gerardo Nunez oder Jorge Pardo nehmen die drei Musiker mit überzeugendem Zugriff in die Hand und transformieren sie in ihre eigene Welt. Der Pianist und der Bassist brillieren in halsbrecherischen, verrückt schnellen Unisono-Passagen – exakt bis auf die letzte Feinheit und mit einer umwerfenden musikalischen Wirkung.

Moises P. Sanchez misst die gesamte Klangvielfalt des Flügels aus, von fast romantisch wirkenden Akkordfolgen über impressionistische Phantasien bis hin zu schrägen, aufregenden Reibungen aus, mit einem selbstverständlichen virtuosen Habitus des echten Könners. Camineros irre Kunststückchen auf dem Bass, mit extrem flinkem Pizzicato und auch mit vielen elegischen Arco-Passagen bis hin zu sphärisch abhebenden Flagiolett-Tönen. Bagito Gonzales gibt diesem Gesamt-Bild eine ganz eigene Färbung hinzu, er verzichtet oft auf die Sticks oder den Besen und fabriziert seine rhythmischen Blitzlichter auf eine sanfte, klar konturierte Weise mit den bloßen Händen.

Titel wie Arabia, Alcazar de Sevilla und La Habana Sin Luz werden so zu einem durchaus komplexen, aber zugleich in die Beine und ins Blut gehenden Angebot, das man als Zuhörer einfach nicht ablehnen kann. Das Zuhören fordert auch den Kopf, Mitdenken ist gefragt, wie Caminero in seinen witzigen, gelegentlich selbstironischen Anmerkungen zum Programm mit eingängigen Gesten klarmacht. Die kleine Mühe lohnt sich selten so wie an diesem Konzertabend. Das Mitfühlen und das innere Mitgehen kommen ja von selbst.