Die Musiker sind planmäßig mit dem Flugzeug aus Madrid gelandet, nur Pablo Martín Caminero’s Kontrabass nicht. Gut, dass der Birdland Jazzclub über ein eigenes Instrument verfügt, auf dem sich der Maestro austoben kann. Eigentlich geht es an diesem Abend im Birdland-Gewölbe ja um die großen iberischen Flamenco-Gitarristen von Paco de Lucia bis zu Manolo Sanlúcar und von Sabicas bis zu Gerardo Núñez, andererseits verfügt das Trio zwar über Moisés P. Sánchez am Klavier und den Perkussionisten Paquito Gonzalez, über einen Gitarristen aber nicht.
Diese Konstellation mutet zwar sonderbar an, ist aber durchaus beabsichtigt, denn Caminero hat all die waghalsigen Melodien jener Gitarrenvirtuosen auf sich um sein Trio umgeschrieben, einige davon auf dem Album „Al Toque“ veröffentlicht und für die Bühne bearbeitet. Aus diesem Vorhaben wird beim Konzert im Birdland ein wahrer Parforce-Ritt durch das Werk wegweisender Komponisten des Flamenco, der rein gar nichts zu tun hat mit feurigen Tänzerinnen, Kastagnetten, festgelegten Schrittfolgen und klappernden Absätzen auf Laminat, dafür aber um so mehr mit Virtuosität, Dynamik, Kreativität, Spontaneität und Gaudi. Ja, auch Gaudi, denn selten hat ein Bandleader im Birdland mit dermaßen viel Witz durch sein Programm geführt wie Caminero.
Bei ihm und seiner Band darf Flamenco swingen, funky oder rockend daherkommen, darf wunderbar fließen, sich mit Tango, Rumba und Bossa Nova heiße Duelle liefern. Wenn er von dem exzellenten Moisés P. Sánchez, der an den Tasten ein Kunststück nach dem anderen aufführt, mit Chucho Valdés, Gonzalo Rubalcaba oder Chick Corea in Verbindung gebracht wird, gibt er eine ebenso gute Figur ab, wie wenn sich Paquito Gonzalez seiner annimmt. Der ist ein begnadeter Cajon-Experte und bearbeitet auch das Drumset lieber mit den Händen als mit Stöcken oder Besen.
In der Musik des Trios gehen das eigentlich regional begrenzte Genre des Flamenco und das weltweite Phänomen des Jazz eine Verbindung ein, die – nach dem was man beim Birdland-Konzert zu hören bekommt – absolut außergewöhnliche Früchte trägt. Stücke wie das dem Gitarristen Pat Metheny gewidmete „Querido Metheny“ oder „La Habana Sin Luz“ etwa, in denen ständige Akzentverschiebungen und Lautstärkewechsel bei absoluter Präzision ebenso selbstverständlich sind wie vorher der Witz in Caminero’s Ansagen. „Diese Flamencogitarristen sind allesamt Verrückte“, erklärt er. „Jeder versucht, immer noch schwierigere Gitarrenpassagen zu erfinden“. Freilich nur, um anschließend zu demonstrieren, dass er selber auch so einiges auf dem Kasten hat. Nur eben auf vier dicken statt auf sechs dünnen Saiten.
Nachdem die CDs zu den Auftritten der Band in Deutschland nicht pünktlich eintrafen – „Auf diese Spanier kann man sich einfach nicht verlassen“, sagt der aus dem Baskenland stammende Caminero mit breitem Grinsen – und man deswegen die Musik also nicht als Konserve mit nach Hause nehmen kann, ist es von Vorteil, dass auch dieses Konzert vom BR mitgeschnitten wurde und nachgehört werden kann. Es lohnt sich fürwahr.
Karl Leitner (lei)