Pablo Martín Caminero Trio „Al Toque“ | 12.11.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die Musiker sind plan­mäßig mit dem Flugzeug aus Madrid ge­landet, nur Pablo Martín Caminero’s Kontrabass nicht. Gut, dass der Birdland Jazzclub über ein eigenes Instrument verfügt, auf dem sich der Maestro austo­ben kann. Eigentlich geht es an diesem Abend im Birdland-Gewölbe ja um die großen iberischen Flamenco-Gitarristen von Paco de Lucia bis zu Manolo Sanlú­car und von Sabicas bis zu Gerardo Núñez, andererseits verfügt das Trio zwar über Moisés P. Sánchez am Klavier und den Perkussionisten Paquito Gonza­lez, über einen Gitarristen aber nicht.

Diese Konstellation mutet zwar sonder­bar an, ist aber durchaus beabsichtigt, denn Caminero hat all die waghalsigen Melodien jener Gitarrenvirtuosen auf sich um sein Trio umgeschrieben, einige davon auf dem Album „Al Toque“ veröf­fentlicht und für die Bühne bearbeitet. Aus diesem Vorhaben wird beim Konzert im Birdland ein wahrer Parforce-Ritt durch das Werk wegweisender Kompo­nisten des Flamenco, der rein gar nichts zu tun hat mit feurigen Tänzerinnen, Kastagnetten, festgelegten Schrittfolgen und klappernden Absätzen auf Laminat, dafür aber um so mehr mit Virtuosität, Dynamik, Kreativität, Spontaneität und Gaudi. Ja, auch Gaudi, denn selten hat ein Bandleader im Bird­land mit derma­ßen viel Witz durch sein Programm ge­führt wie Caminero.

Bei ihm und seiner Band darf Flamenco swingen, funky oder rockend daherkom­men, darf wunderbar fließen, sich mit Tango, Rumba und Bossa Nova heiße Duelle liefern. Wenn er von dem exzel­lenten Moisés P. Sánchez, der an den Tasten ein Kunststück nach dem anderen aufführt, mit Chucho Valdés, Gonzalo Rubalcaba oder Chick Corea in Verbin­dung gebracht wird, gibt er eine ebenso gute Figur ab, wie wenn sich Paquito Gonzalez seiner annimmt. Der ist ein be­gnadeter Cajon-Experte und bearbeitet auch das Drumset lieber mit den Händen als mit Stöcken oder Besen.

In der Musik des Trios gehen das ei­gentlich regional begrenzte Genre des Flamenco und das weltweite Phänomen des Jazz eine Verbindung ein, die – nach dem was man beim Birdland-Konzert zu hören bekommt – absolut außergewöhn­liche Früchte trägt. Stücke wie das dem Gitarristen Pat Metheny gewidmete „Querido Metheny“ oder „La Habana Sin Luz“ etwa, in denen ständige Ak­zentverschiebungen und Lautstärke­wechsel bei absoluter Präzision ebenso selbstverständlich sind wie vorher der Witz in Caminero’s Ansagen. „Diese Fla­mencogitarristen sind allesamt Verrück­te“, erklärt er. „Jeder versucht, immer noch schwierigere Gitarrenpassagen zu erfinden“. Freilich nur, um anschließend zu demonstrieren, dass er selber auch so einiges auf dem Kasten hat. Nur eben auf vier dicken statt auf sechs dünnen Saiten.

Nachdem die CDs zu den Auftritten der Band in Deutschland nicht pünktlich ein­trafen – „Auf diese Spanier kann man sich einfach nicht verlassen“, sagt der aus dem Baskenland stammende Cami­nero mit breitem Grinsen – und man des­wegen die Musik also nicht als Konserve mit nach Hause nehmen kann, ist es von Vorteil, dass auch dieses Konzert vom BR mitgeschnitten wurde und nachge­hört werden kann. Es lohnt sich fürwahr.
Karl Leitner (lei)