Pablo Held Trio & Nelson Veras | 18.09.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Das Trio des Pianisten Pablo Held mit Robert Landfermann am Kontrabass und Jonas Burgwinkel am Schlagzeug existiert bereits seit 15 Jahren. Ab und zu laden sich die drei einen Gastmusiker ein. Auf der Bühne des Birdland Jazzclubs in Neuburg hat diese Rolle der brasilianische Gitarrist Nelson Veras inne, wobei „Gast“ eher „assoziiertes Mitglied“ bedeutet.

Wie kaum sonst eine Formation im deutschen Jazz lotet das Quartett alle Möglichkeiten des Modern Jazz aus, überschreitet immer wieder die Grenzen hin zur Avantgarde, spielt Unerhörtes und gleichzeitig bislang Ungehörtes, ist stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Held selbst spricht vom „freien Komponieren“ als seiner Art, Stücke zu entwerfen. Daraus entstehen lange, ungemein spannungsgeladene Werke wie „Bernsteinfantasie“ oder „Ascent“ aus der gleichnamigen neuen CD, in denen Fripp’sche Loops ebenso vorkommen wie dezente klangliche Landschaftsmalereien, in denen es rasant über Stock und Stein geht, teils auf ungemein verschlungenen Pfaden und mit Musikern, die fast bersten vor Energie. Eine markante Bassfigur, eine mehrmals auftauchende Akkordreihe auf dem Flügel, eine wiederkehrende Schleife des Gitarristen – das sind ganz bewusst eingerammte Markierungspfosten, die dem Hörer den Zugriff erleichtern und die Sache immer wieder erden.

Das Publikum ist durchaus gefordert. Konzentriertes Zuhören ist unverzichtbar, aber es gibt auch Passagen, in denen man genüsslich ein- und abtauchen kann in diese ganz eigenen Klangwelten, in diesen Kosmos, der für das Quartett im Laufe des Konzerts immer mehr zum Markenzeichen wird. Würde man einen der Musiker besonders herausheben, täte man den anderen unrecht. Hier wird – wie an anderer Stelle im Jazz durchaus nicht unüblich – niemand „gefeatured“, während die Kollegen in den Begleitmodus schalten. Nein, diese Stücke sind auf ein Ensemble hin angelegt. Hier gibt es zwar auch Soli und spontan vollzogene Richtungswechsel, das Grundkonzept des Quartetts aber ist die ständige gemeinsame Bewegung aller Beteiligten auf ein genau definiertes Ziel hin. Es findet ein permanenter Austausch statt, wobei natürlich nach 15 gemeinsamen Jahren jeder ganz genau weiß, wie seine Kollegen ticken, dass sie auf jeden Fall mitziehen werden, wohin die Reise auch gehen mag.

Dieses Konzept funktioniert dermaßen perfekt, dass man als Zuhörer nur staunen kann. Auch die ursprünglich für Jazzband und Kammerorchester transkribierten „Exzerpts from Rachmaninov’s 4th Piano Concert“ fügen sich ein in dieses Schema, bieten gleichermaßen straffe Organisation und Freiraum für Improvisationen. Der „Absacker“ in der Zugabe schlägt die Brücke zu einem gemeinsamen Konzert des Pablo Held Trios mit John Scofield als Gast an gleicher Stelle. Damals – 2014 war’s – spielte man auf äußerst behutsame Weise Held’s „Nocturne“. Nelson Veras ist nicht Scofield, das ist offensichtlich, aber auch unter seiner Federführung wird diese zarte Komposition zu einem Kleinod. – Ein äußerst intensiver Abend mit großartiger Musik.