Osby – Arbenz – Krijger | 20.04.2024

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Es braucht schon fünf kräftige und rückenstabile Jungmannen, um so ein Monstrum die Treppen des Hofapothekenkellers runter und wieder rauf zu schleppen. Rund 130 Kilo wiegt eine original B3 Hammondorgel, und der Niederländer Arno Krijger hat eines der wenigen noch existierenden Exemplare ausgerechnet ins Neuburger Birdland mitgebracht. Natürlich würde es auch eine Spur leichter, kleiner, komfortabler und zeitgemäßer gehen. Aber jeder Organist, der einmal seine Finger auf eine B3 gelegt hat, schwärmt geradezu von dem unverwechselbaren Klang, dem räumlichen, weiten Sound, der durch den eingebauten Federhall entsteht und der sich eigentlich kaum beschreiben lässt.

Wohl dem also, dem solch eine Königin der Tasteninstrumente eine Audienz gewährt (und der wie das Birdland über das entsprechende Personal für den Transport verfügt). Einmal aufgebaut, geht Krijgers Hammond B3 gleich in einen intensiven, adrenalinhaltigen Dreistellungskampf mit einem Altsaxofon, das von der mittlerweile 63-jährigen, einstigen Gallionsfigur des New Yorker M-Base-Collectives, Greg Osby, gespielt wird und einem Schlagzeug, ständig in Bewegung gehalten von dem Schweizer Tausendsassa Florian Arbenz. Und, oh Wunder: die Orgel bestätigt nachhaltig ihren längst legendären Ruf – ebenso übrigens wie die beiden Mitstreiter dieses geradezu sensationellen Trios.

Natürlich ist es wieder mal – laut. Vor allem vom Drumset her schiebt sich eine wuchtige Phonwelle unwiderstehlich ins Gewölbe. Und es ist kochend heiß, die Musik fließt wie ein dicker, glühender Lavastrom breiig von der Bühne herunter. Häufig groovt es, was bei der Beteiligung einer Hammondorgel eigentlich immer im Preis inbegriffen ist; mal soulig, mal rockig, mal fluffig. Aber da wir uns ja in einem Jazzkonzert befinden, geht es den drei Instrumentalisten natürlich in erster Linie um die Erforschung unentdeckter Wege der Improvisation. Und hier erwischen Arbenz, Osby und Krijger in Neuburg wirklich einen absoluten Glückstag. Die Art, wie sie ihre Exkurse ineinander verschränken, zeugt von großer Vertrautheit und dem raren Grundsatz des Sich-etwas-gönnen-Könnens. Denn jeder darf an diesem besonderen, über zweistündigen Abend im Birdland weidlich unter Beweis stellen, was er alles draufhat, aber auch, zu welch raffinierten Übergängen ein derart heterogenes Trio eigentlich in der Lage ist.

Ein Ereignis für sich wäre allein schon Greg Osbys raffiniert eigenständiges Spiel. Der Alto-Virtuose belegt auf hinreißende Weise, dass er auch 2024 immer noch einer der weltweit Besten und vor allem Schnellsten ist. Die Art, wie er kunstvoll und geschwind Melodien im Stile eines Töpfers modelliert und dabei stets diesen erhabenen, noblen Ton wie ein Leuchtfeuer aufrechterhält, sucht in der Szene immer noch ihresgleichen. Arno Krijger schiebt derweil seine fetten Blockakkorde zwischen das Saxofon und Florian Arbenz mal wuchtiges, mal geheimnisvoll gründelndes Drumming kann auch seltene illuminierte Farbkleckse wie in „The Passage Of Light“ produzieren, einer Ballade zum Niederknien. Mehr als eine Randnotiz ist der Auftritt des Schlagzeugers unmittelbar nach der Pause. Da nimmt sich Arbenz alle Zeit der Welt und die Freiheit, ein superlanges Solo abzuliefern – weil er es einfach kann!

Die große Klasse des mehr als flotten Dreiers wird vor allem in den Adaptionen sattsam bekannter Standards wie „I Love You Porgy“ oder der völlig abgefahrenen Version des Eddie-Harris-Klassikers „Freedom Jazz Dance“ offenkundig, in dem sich Krijger, Osby und Arbenz immer wieder atemberaubende Sprints ins Modale liefern, um dann irgendwann die Gefährten wieder aufschließen zu lassen, damit diese zum Finale Furioso durchstarten können. Solche Erlebnisse gibt es nur mit einer echten Hammondorgel. Und die nächste kommt schon in wenigen Tagen am Freitag zusammen mit dem mehrfachen amerikanische Downbeat-Pollsieger Larry Goldings. Jede Wette, dass diese Version noch ein klein bisschen schwerer wird.