2022 – Open Air im Amalienhof – Rückblick | 29.06.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Zugegeben, am Freitag war auch Glück mit dabei. Eine halbe Stunde, nachdem Albie Donnelly’s Su­percharge ihre Zugabe beendet haben, setzt der Regen ein. Das war knapp. Der Rest des dreitägigen Birdland Open Airs im Amalienhof in Neuburgs Altstadt aber war ein der pure Genuss.

Drei laue, nicht zu heiße Sommeraben­de am Freitag, Samstag und Sonntag, eine perfekt in das traumhafte Ambiente zwischen den wunderschönen histori­schen Gebäuden eingepasste Bühne, die auch optisch allerhand hermacht, ein hervorragend ausgesteuerter Sound und eine Organisation und ein Service, die wie am Schnürchen klappen. Und das ganze auch noch bei freiem Eintritt. Was will man mehr?

Die Idee, aus dem Clubkeller mal nach draußen zu gehen, seinem treuen Publi­kum nach all den Wirren während der Coronazeit als Dankeschön noch ein Zu­ckerl in die konzertfreie Sommerpause mitzugeben, stammte von Birdland-Chef Manfred Rehm, perfekt umgesetzt wurde sie von Robert Komarek und seiner Crew, der auch im Birdland stets für stö­rungsfreie Abläufe sorgt.

Und die Musik? Die drei Tage boten eine gesunde Mischung aus all dem, was im Birdland das ganze Jahr über abläuft, dies jedoch natürlich unter besonderer Berücksichtigung dessen, dass ein Open Air andere Erwartungen schürt als ein Clubkonzert, dass man draußen einfach mal vorbeischauen, ein wenig zuhören und wieder weiterziehen kann, hängen bleibt, weil einem die Musik zusagt, oder ganz gezielt wegen eines ganz be­stimmten Künstlers kommt. Erfahrene und über die Jahre wegen vieler Bird­land-Konzerte vom Jazzbazillus ergriffe­ne Fans und Zufallsbesucher nebenein­ander, darum geht es, das macht den Reiz aus. Da ist der satte Rhythm’n’Blues von Albie Donnelly’s Supercharge, die messerscharfen Bläsersätze, die die Band am Festivalfreitag seinem Publikum ein­hämmert. Wie immer bei dieser Formati­on zielen Songs wie Junior Guitar Wat­son’s „Gangster Of Love“ direkt in den Unterleib, gehen in die Beine und sta­cheln die Leute an, sich selber zu bewe­gen oder doch zumindest mitzuklatschen oder mit den Füßen zu stampfen.

Der Samstag bietet das Kontrastpro­gramm dazu. Zuerst präsentieren Norbert Gabla und Andreas Blüml mit Bandone­on und Gitarre ihre ganz eigene Sicht­weise auf den argentinischen Tango, der in ihrem Fall aus Argentinien und Uru­guay und von Komponisten wie Astor Piazolla und Carlos Gardel kommt. Es geht ungleich ruhiger zu wie am Vortag, aber beileibe nicht weniger intensiv, und das Publikum zeigt sich schwer beein­druckt. Das gilt auch für den Auftritt des Quartetts um die Sängerin Cécile Verny. Die charismatische Sängerin mit den französisch-afrikanischen Wurzeln bietet einen Querschnitt aus ihrem Repertoire zwischen Jazz und Pop, zwischen inti­men Balladen, hingehauchten Chansons und zielsicher nach vorne drängenden Songs, bei denen man sich mehr als ein­mal fragt, warum Stücke wie diese ei­gentlich nicht in den Charts auftauchen.

Der Sonntag beginnt mit dem Pianisten, Sänger, Komponisten, Komödianten und Entertainer Martin Schmitt und dessen Programm „Jetz is Blues mit lustig“. Bereits nach der ersten Nummer hat er die Lacher auf seiner Seite, weil seine Liedtexte und Zwischenansagen höchst originell und überaus pointenreich sind. Und man bewundert ihn ganz zurecht für sein Pianospiel, denn was er in den Bereichen Boogie, Blues, Ragtime und Stride auf dem Kasten hat, ist schon allererste Sahne. Die Groove Merchants beschließen dann das Festival. Dieses Quintett ist der Act des Festivals, der am tiefsten eintaucht in die Welt des Jazz. Die Blue Note-Ära der Fünfziger und Sechziger Jahre und Komponisten wie Horace Silver, Cannonball Adderly und Lee Morgan liegen der Band besonders am Herzen. Die Stücke von Tom Harrell und Duke Ellington hinterlassen einen besonders nachhaltigen Eindruck, der entspannte Groove passt wunderbar zur allmählich hereinbrechenden Dämme­rung und sorgt für den leichthin funky swingenden Schlussakkord hinter dem Festival.

Ob das Birdland Open Air in dieser Form in den nächsten Jahren zu einer festen Einrichtung werden wird, kann heute natürlich noch niemand sagen. Zu wünschen wäre es auf jeden Fall. Sicher ist freilich längst, wer nach der Sommer­pause ab September im Rahmen des re­gulären Birdland Clubprogramms seinen Besuch angekündigt hat. Unter www. birdland/programm/vorschau sind bereits alle Termine aufgeführt.