Omer Klein Trio | 27.04.2019

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Was ist nur dran an diesen drei Kerlen, dass die Menschen von überall her in den Neuburger Hofapothekenkeller strömen? Ist es ihre unbefangene Herangehensweise, ein Zweieinhalbstunden-Konzert anzugehen, als wäre es ihr letztes? Diese frische, ungekünstelt heitere Art, die man überaus selten bei den angeblich so „coolen“ Jazzmusikern erlebt? Oder ihre Kreativität, ihre Spielfreude, die im Nu ansteckt und Funken im ganzen Raum versprüht? Fakt ist: Es gab nur ganz wenige Momente in der über 60-jährigen Geschichte des Birdland-Jazzclubs, in denen die Stimmung vergleichbar war.

Selbst am späten Abend – der Zeiger der Uhr geht schon auf Mitternacht zu – wollen die Zuhörer nicht aufhören zu klatschen und zu pfeifen. Omer Klein, Haggai Cohen Milo und Amir Bresler müssen zwei Zugaben geben, doch keiner der Leute im vollbesetzten Keller steht von seinem Stuhl auf. Die Freunde transpirieren munter vor sich hin, lächeln glücklich und spielen einfach weiter. Da oben stehen virtuose Rampensäue, harte Arbeiter im Schweiße ihres Angesichts, bei denen man fürs Geld noch einen echten Gegenwert bekommt, Unterhaltungskünstler im besten Wortsinn mit gelegentlichen Durchhängern, die aber kaum jemandem auffallen. Und definitiv einer der angesagtesten Jazzacts der Gegenwart.

Diesen Status hat sich der Pianist Klein hart und leidenschaftlich erkämpft. Mittlerweile gelten der Echo Jazz-Preisträger und sein Trio als Speerspitze des israelischen Jazz, aber auch der überlaufenen Pianotriobewegung, weil sie jede Menge neue, bislang ungehörte Impulse in die überlieferten Regeln einbringen, die nur wenig mit dem Jazz alter Prägung zu tun haben. Die farbigen Kompositionen des 36-Jährigen speisen sich aus Volksliedern rund um den Mittelmeerraum, Rockthemen, klassischen Mustern und elektronischen Adaptionen. Ein Amalgam aus divergierenden Einflüssen, ein eigenwilliges, aber durchaus eingängiges Vokabular, das einen schon nach wenigen Sekunden gefangen nimmt.

Klein, Bassist Cohen-Milo und Schlagzeuger Bresler senden und empfangen Botschaften. Verblüffend wirken ihre gegenseitige Einfühlung, der Sinn für Nuancen, das Aufgreifen melodischer Partikel im Hin und Her zwischen Klavier und Bass, Bass und Schlagzeug, Schlagzeug und Klavier, das Unisono komplexer rhythmischer Passagen und im Kontrast dazu die inszenierten Aussetzer und falschen Schlüsse. Die drei ziehen verdammt viele Register. Dabei ist ihre Musik in jedem Moment transparent. Man weiß immer, wo man ist, aber nie, wohin es geht.

Freilich: Bei aller Euphorie fällt auf, dass das Material der neuen CD „Radio Mediteran“ nicht mehr die Tiefe und Nachhaltigkeit früherer Werke besitzt. „Last Day Of School“ etwa ist ein eher mittelmäßiger Song, eines jener Stücke, das vor allem den Musikern selbst gefällt. Im krassen Kontrast steht dagegen die wunderschöne Zugabe „Split Milk“ aus dem Vorgängeralbum. Bei „Protest“ ließ sich Klein von türkischen Weisen inspirieren. Warum nicht von seinem Heimatland? Und der Synthesizer, den der Hoffnungsträger zum ersten Mal dabei hat, bringt Minuspunkte. Während die Techno-mäßigen Grooves bei „Tripoli“ eine feine Neuerung in Kleins Klangwelten darstellen, versprühen seine spitzen Synthi-Einwürfe den zweifelhaften Charme nicht jugendfreier Filme. Eine Erwachsenenspielerei, mehr nicht.

Faszinierend und einzigartig bleibt freilich, wie originell Omer Klein im Laufe der Jahre unterschiedlichste Einflüsse, von romantischen Schwelgereien über die Jazztradition bis hin zu Spurenelementen seiner Heimat, zu einer eigenen, ausdrucksstarken Klangsprache sublimiert hat. Ein Liveerlebnis allererster Güte. Eine echte Werbung für den Jazz, gerade was dessen Zukunft anbelangt!