In der klassischen Musik wird so etwas als Klavierrezital bezeichnet. Da sitzt einer am Flügel, allein mit dessen 88 Tasten, und bestreitet einen ganzen Konzertabend. Mut gehört dazu, denn kein Partner springt in die Bresche, wenn der Fluss der Kreativität zu stocken droht. Selbstvergessenheit auch, denn nur wer das Kalkül hinter sich lassen kann, wird schöpferische Freiheit erfahren.
Das letzte Konzert vor der Sommerpause bot im Birdland einmal mehr die Chance, einer wahren Sternstunde improvisierter Musik beizuwohnen. Mit Omer Klein gastierte einer der stilistisch interessantesten Pianisten des zeitgenössischen Jazz solo im Neuburger Jazzclub.
Der Klassiker hat den Vorteil der Noten, die ihn zumindest formal durch die schier unendliche Vielfalt an möglichen Tonkombinationen führen. Im Jazz dagegen fließen Intuition, Intelligenz, Erfahrung und Phantasie in der Improvisation zu jenem einen musikalischen Moment zusammen. Kaum entstanden, schon verronnen.
Kein Wunder, dass nicht allzu viele Musiker sich dem Solo-Abend stellen. Angesichts der wahrlich kaum berechenbaren Herausforderung könnte da schon der Schweiß ausbrechen.
Aber: Das Risiko des Untergangs bietet auch die große Chance zum Besonderen. Und die nutzte Omer Klein auf sehr bemerkenswerte Weise. Das stark perkussiv geprägte Spiel des Wahl-Düsseldorfers vereinte Klassik, Jazz, moderne Grooves und musikalische Motive aus seiner Heimat Israel zu einer mitreißend Melange.
Die bot raschen Fluss in Yemen, Ecken und Kanten in One Step in Time, Gelassenheit in Shwaye, Shwaye oder Verträumtes in Cala Lily. Musik von neugierigem, unwiderstehlichem, immer erstaunlich leichtfüßigem Reiz wärmte da lyrisch und lebhaft die Luft des Jazzkellers. Ohne jede Spur von Angstschweiß! Fearless Friday, der Titel eines der griffigsten Stücke des Abends passte so auch am Samstag: Keine Angst vor 88 Tasten!
Wer das nacherleben will: Am 28. Juni um 23:05 Uhr sendet BR Klassik einen Mitschnitt des Konzzerts.