Nichts für Leisetreter! Kraftvoll und mit Druck erfolgte Noah Premingers musikalischer Kommentar zum Zeitgeschehen im Neuburger Birdland. Keineswegs niedergeschlagen, wie es mitunter naheliegen könnte, sondern mit Schmackes, Biss und Ziel.
Der New Yorker Tenorsaxophonist, der Zukunft so zugewandt wie der Herkunft verpflichtet, hat schon 2016 in seinen »Meditations On Freedom« die Tradition der Protestsongs aufgegriffen. Umso aktueller und dringlicher schließt er neun Jahre später an diese Haltung an, nutzt die Gelegenheit zum Auftakt seiner Europatour, im Bebop-nahen Uptempo gleißende Feuerstöße in den Neuburger Jazzkeller zu blasen, eine deutliche Absage an jegliche Resignation: »Morty«!
»Carry Me Ohio«, ein Song der Singer-Songwriters Mark Kozelek fährt gegen Mitte des ersten Sets das Tempo erstmals runter, gibt Gelegenheit der Vergewisserung, des Innehaltens, der Erdung.
n »High And Brooze« geht es dann wieder offensiver zur Sache, blitzschnell wechseln Tempo und Temperament, eine Hommage an Neugierde, Vielfalt und Vitalität!
Noah Preminger lässt sein Saxophon mit Volumen und großzügigem Sound singen und zündeln, zeigt sich neben der Hochenergie als Meister der Ballade, formt jeden Ton mit Sorgfalt und Bewusstsein, variiert Klangfarben und -schattierungen mit meisterlicher Selbstverständlichkeit.
Pianist Julian Shore entflicht aus komplexen Harmonien wieselflinke, eloquente, fantasievoll impressionistische Läufe, eine Spur zu dezent vielleicht im ersten Set, zunehmend freigespielt im zweiten. Phil Donkin am Bass stablisiert und erdet die Musik mit sicherem Groove, präsentem Sound und souveräner Beherrschung des Griffbretts. Die große Überraschung des Abends bietet der Kölner Hochfrequenzdrummer Leif Berger. Er vereint Energie und Kreativität, Feinsinn und Präsenz, Aufmerksamkeit und Klangkultur, eine echte Entdeckung!
Wie ein Schlüssel zum Konzert wirkt »You‘ll Never Win«, ein Wut-Stück förmlich, das dazu aufruft, der Ohnmacht zu trotzen a la: Du hast keine Chance, also nutze sie! Die Band spielt sich förmlich in einen Flow, lotet in beharrlicher Konsequenz aus, was im Thema steckt, und bietet eine schier berauschende Performance.
Später dann noch eine Ballade, mit geradezu schumannesk romantischer Einleitung, sanglicher Melodie und meditativer Ruhe in gospelnaher, hymnischer Intensität, die mit »FTGOP« zum Schluss wieder mündet in Feuer und Farbe. Ein Plädoyer für alles, was uns zu Menschen macht, jenseits aller Ausgrenzung, fern jeder Trübsal.