Danny Grissett ist 50. Die ersten 25 Jahre seines Lebens hat er in Los Angeles verbracht, 15 weitere in New York und seit zehn lebt er in Wien. Zusammen mit Tom Harrell, Nicholas Payton und Pee Wee Ellis war er auch immer wieder mal im Neuburger Birdland Jazzclub zu Gast. Immer als Sideman am Klavier. Jetzt entzückt er erstmals als Bandleader das Publikum im restlos ausverkauften Club.
Entzückt? Ganz genau. Denn sein Konzert im Rahmen der Reihe „Art Of Piano“ ist eine echte Sternstunde einer der Königsdisziplinen des Jazz, des Piano Trios, von der man schon alles zu wissen glaubte. Eine Einschätzung, die sich an diesem denkwürdigen Abend als grundfalsch und voreilig herausstellt. Wie hinreißend und auf welch überaus elegante Weise Grissett sich nämlich des Themas „Heimat“ annimmt, das für einen Weltbürger wie ihn zwangsläufig immer wieder relevant ist, dazu passend ein Album mit dem Titel „Travelogue“ herausbringt, auf dem sich Kompositionen befinden wie „The Long Way Home“, „Wonder Wander“ und „The People In The City“, das ist schon äußerst bemerkenswert.
Zusammen mit seinen beiden kongenialen Partnern, dem Bassisten Vincente Archer, der schon mal mit der John Scofield Group Neuburger Luft geschnuppert hat, und dem Schlagzeuger Francesco Ciniglio, geboren in Neapel, wohnhaft in New York und Birdland-Neuling, beschreibt er auf unnachahmliche, sehr subtile und emotionale Weise Orte, Begegnungen, Situationen, die eine anfangs fremde Umgebung zur Heimat machen, ein Begriff, der sich mit jedem Umzug verändert und neu definiert werden muss. Und manchmal wird sogar einer der unzähligen Spielorte, die er durchreist, zu einem kleinen Stück Heimat. „Eine Stadt wie Neuburg zum Beispiel. Hierher komme ich immer wieder gerne und mit Vorfreude“, sagt er.
Grissett’s Stücke sind von der Struktur her hochkomplex. Der Drummer entwickelt einen Gegengroove zum Beat, der Mann am Bass koppelt Straight Ahead-Jazz mit Swing, Mulgrew Miller’s „When I Got There“ kommt herrlich relaxed und bluesig daher und Duke Ellington’s „Wig Wise“ erhält ein komplett neues Outfit. Grissett’s eigene Stücke sind samt und sonders Kunstwerke und die Adaptionen macht er zu kleinen Pretiosen, Ein vom ersten Ton an edler, vornehmer Sound verspricht etwas ganz Besonderes. Und genau das bekommt das Publikum dann auch. Die Ballade „Here’s That Rainy Day“ etwa, in der Grissett die Tastatur streichelt und liebkost, dann „Blue J.“ für seinen damals fünfjährigen Sohn, in dem man akustisch Zeuge wird, wie der Kleine in der Wohnung herumtobt, oder das vielgestaltige „Picture In Picture“, mit dem Grissett Orte besucht, die er bereits kennt, und die dortigen Veränderungen kommentiert. So wird „The Long Way Home“ zu einem zweistündigen Triumphzug.
Durch seine Offenheit hat Grissett sofort einen Draht zum Publikum, berichtet von seiner Vorliebe für Basketball, fürs Kochen und Fotografieren, dass er auch als Buchautor tätig ist und sogar Singles herausbringt, was Jazzer eigentlich so gut wie nie tun. Am Ende lässt man ihn nur äußerst ungern gehen, was nicht verwunderlich ist, denn einen dermaßen perfekten Abend erleben selbst Birdland-Stammgäste nur äußerst selten. – Danny Grissett? Am besten möglichst bald wieder!