Nina Michelle Quintett | 08.03.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Während draußen die Sichel des Mondes am klaren Sternen­himmel über der Neuburger Altstadt hängt, gibt drinnen, im Gewölbe des Birdland Jazzclubs, das Quintett von Nina Michelle ein Konzert. Erste Num­mer: Frank Sinatra’s „Fly Me To The Moon“. Letztes Stück des Programms: Ella Fitzgerald’s „How High The Moon“. Das ist sicher Zufall, aber das Bild von Licht und Schatten könnte einem durch­aus in den Sinn kommen, wenn man die zwei Stunden mit Michelle und ihrer Münchener Band Revue passieren lässt.

Licht und Schatten. Beides gibt es im Laufe des Abends. Da ist die vor Jahren aus Vancouver, B.C., zugezogene Sänge­rin Nina Michelle mit ihrer kehligen, verrauchten, mit Sandpapier mittlerer Körnung belegten Altstimme, die einen sofort beeindruckt, sich aber eben auch ein paar Ungenauigkeiten hier und dort leistet. Da sind eine Handvoll Eigen­kompositionen, die aufhorchen lassen, aber eben auch ein paar schwächere Stü­cke, die zwar recht gefällig und jederzeit gut hörbar, aber in der vorgetragenen Version doch weniger dafür geeignet sind, um mit ihnen musikalische Bäume auszu- und das Publikum entscheidend mitzureißen. Da ist mit Jan Eschke ein hervorragender Pianist, der perlende Läufe und üppige Tongirlanden nur so aus dem Ärmel schüttelt, andererseits aber auch Peter Tuscher an der Trompe­te, der sich auffällig zurückhält und sich immer wieder Auszeiten nimmt.

Die grundsolide Rhythmusgruppe mit Rick Hollander am Schlagzeug und An­dreas Kurz am Kontrabass bietet die Ba­sis für einen entspannten Abend unter guten Freunden, die Sinn haben für lo­cker fließenden Swing, relaxt dargebote­ne Standards, Cole Porter’s „Just One Of Those Things“, Henry Mancini’s „Chara­de“, Chick Webb’s „Stompin‘ At The Sa­voy“ und das selten gespielte „You Must Believe In Spring“ von Michel Legrand. Weitaus mehr punkten kann Michelle freilich mit ihren Eigenkompositionen. Sie entstammen ihrem Album „Love Confessions“ und sind geschrieben in ei­ner Art, die punktgenau zu ihrer Stimme passt, die deren Möglichkeiten und Ei­genarten noch besser zur Geltung kom­men lässt als die Adaptionen. Steht sie ansonsten vor der Aufgabe, mit ihrer Stimme einem bereits vielfach von Kol­leginnen gesungenen Song einen neuen Ausdruck zu verleihen, ihn sich anzueig­nen, ihm ihren eigenen Stempel aufzu­rücken, was ja beileibe nicht das leich­teste Unterfangen ist, ist die Ausgangssi­tuation bei „“Keep On Believing“, „Man Out Of Place“ und „Cover Me“ umge­kehrt und damit günstiger.

Und mit „All You Ever Wanted“, das sie zusammen mit Peter Schneider, dem ehemaligen Gitarristen der Willy Michl Band und jetzigem Chef der Stimulators verfasst hat, gelingt ihr kurz vor dem Ende des Konzerts sogar noch ein richti­ger Kracher, der denn auch den entspre­chenden Applaus auslöst und deutlich macht, was vorher doch ab und zu trotz eines Jan Eschke in Bestform ein wenig gefehlt hat, der letzte Tick nämlich. – Dennoch: Mit der verführerischen Melo­die der Zugabe im Ohr und in guter Stimmung verlässt man den Club. Es war ein gelungener Abend, ganz klar, weil das Bauchgefühl mitunter mehr aus­sagt als irgendwelche Spitzfindigkeiten. Der Mond steht jetzt, als es allmählich auf Mitternacht zugeht, immer noch un­gefähr da, wo er vorher war. Auf manche Dinge kann man sich einfach verlassen. Wie beruhigend.