Niels-Henning Ørsted-Pedersen Trio | 24.01.2004

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Zum zweiten Mal nach 2001 war er im Birdland zu Gast, Niels-Henning Ørsted-Pedersen, der schlechthinnige Superlativ des Jazzbasses. In einem fulminanten Konzert versetzte der Virtuose, eine der prägnantesten Musikerpersönlichkeiten der weltweiten Jazzszene, gemeinsam mit seinen Triopartnern Ulf Wakenius, Gitarre, und Jonas Johansen an den Drums den Neuburger Jazzkeller in schieren Enthusiasmus.

Wie kein anderer lebender Protagonist seines Instruments hat Niels-Henning Ørsted-Pedersen für die Emanzipation des Basses im Jazz gesorgt. Mit einem Bach-Menuett legt der 57jährige Däne zum Auftakt des Konzerts zugleich dar, dass er seine Wurzeln durchaus in einer über die Jazzgeschichte hinausgehenden Tradition sieht. Sodann lässt er sich auf so verschieden geartete Standards ein wie das wohl immer mit dem Namen Billie Holiday verbundene „Lover Man“, Charlie Parkers „Donna Lee“, Miles Davis‘ „All Blues“ sowie „Seven Steps to Heaven“ oder Juan Tizols „Caravan“, nicht zuletzt die in wunderbar singendem Ton vorgetragene Ballade „A Nightingale Sang in Berkeley Square“ von Jack Strachey und Eric Maschwitz. Das eigene „Future Child“ ist ein berührendes Solostück von bewegender Gegenwärtigkeit. Die „Autumn Leaves“ dagegen wollen im Birdland so gar nicht melancholisch an die Vergänglichkeit des Lebens gemahnen, sondern werden in quicklebendigem Herbststurm durch den Keller gewirbelt.
Seine Soli konstruiert NHØP in einem selten glücklichen Zusammentreffen von Virtuosität und Musikalität mit Intelligenz und konzentriertem Bewusstsein für die Strukturen der Stücke und deren Möglichkeiten. Das virtuose Moment steht dabei immer im Dienst, nie lässt es sich herab zu selbstzwecklicher Zurschaustellung. Die atemberaubenden technischen Fertigkeiten Pedersens, der z. B. als einer der wenigen Bassisten alle vier Finger der rechten Hand gleichberechtigt einsetzt, der in spieltechnischer Hinsicht alles und mehr kann, als selbst Fachleute sich vorzustellen vermögen, bleiben immer auf die Musik bezogen, stellen ab auf das möglichst optimale Ausloten improvisatorischen Ausdrucks. Behutsam geformte singende Töne in schmetterlingsflügel-leichtem Balladenspiel, knackiger Up-Tempo-Groove und leichtfüßig dahin schlendernde Walking Lines, liebevolles Feeling, melancholischer Blues und rasanter Bebop vereinen sich in einem Höchstmaß an spielerischer Sorgfalt und einer unnachahmlichen individuellen Charakteristik. Im Zusammenspiel mit Ulf Wakenius ergeben sich improvisierte Momente von nahezu kontrapunktischer Logik in frappanter harmonischer und melodischer Homogenität. Wakenius, mit dem Pedersen seit einigen Jahren auch im Oscar Peterson Quartet zusammen spielt, zeigt sich wie schon im September 2001 als ein empathischer Partner, dessen Gitarrenspiel in sicherer ästhetischer Balance ein nuanciertes Ausdrucksspektrum von zarten Streicheleinheiten bis hin zu offensivem Biss souverän beherrscht. Der Dritte im Bunde, Schlagzeuger Jonas Johansen, beim Gig vor gut zwei Jahren nicht dabei, erweitert das Duo zum Trio mit dezentem Drumming, einem variablen klanglichen Ausdrucksspektrum und – gelegentlich – einer Elektrizität, die jedem mittleren Gewitter zur Ehre gereicht.