Nicotheo | 07.12.2019

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Einen solchen Auftritt hat das Publikum im Birdland Jazzclub, wo sich immer wieder Stars aus aller Welt die Ehre geben, noch nicht erlebt: Fünf junge Jazzer – allesamt Studenten an der Hochschule für Musik in Würzburg – suchen eine gemeinsame Sprache in der weiten Welt des Jazz. Es war faszinierend, ja betörend, diesen Weg mitzuerleben und vor allem mitzuhören.

Eher verhalten und tastend der Beginn, dann eine Entfesselung mit Mut und virtuosem Können. Nach der Pause spielt sich das Quintett namens Nicotheo fast in einen musikalischen Rausch hinein; witzig, rasant, im besten Sinne verrückt. Die fünf Jung-Jazzer sind jetzt ganz bei sich und zeigen eine Musikalität, die auch für eine offenkundig hervorragend ausgebildete Studenten-Combo mehr als erstaunlich ist.

Die fünf Freunde, die erst ein gutes Jahr in dieser Formation aktiv sind, kommen aus unterschiedlichen Teil-Welten des großen Musik-Kosmos. Von der Klassik, vom Rock, aus dem Funk, vom modern Jazz – auch Weltmusik und raffiniert verfremdete Anklänge an den Pop fließen in diese ganz eigene Klangwelt ein. Bandleader Nico Theodossiadis setzt an Saxofon und Querflöte hochemotionale Akzente, Jan Peter Itze (Piano) kostet die Klangpotenziale des Bösendorfer-Flügels vom empfindsamen Anschlag der Balladen bis zu wilden Ausbrüchen quer über die Tastatur aus. Der Neuburger Simon Emanuel Schneid an der Sologitarre versenkt sich in sanfte Melodiebögen und reitet kurz darauf wilde Ritte hinauf bis zum äußersten Rand des Griffbretts. Wie den anderen ist Schneid, der im Birdland Jazzclub schon vom Kleinkindalter an musikalisch geprägt wurde, fast in jedem Moment anzumerken, welche unbändige Freude es bereitet, in diesen heiligen Jazz-Hallen spielen zu dürfen.

Theodossiadis, Schneid und Itze sind, wenn man so will, die drei Köpfe dieser Band, musikalisch und auch mit ihren grandiosen, nicht immer direkt eingängigen Eigenkompositionen. Sie werden „unterstützt“ von einem jederzeit präsenten, hellwachen Konrad Patzig am Schlagzeug. Er glänzt nicht durch bombastische, laute Soli, seine Stärke liegt in der Feinfühligkeit und im Gespür für die kleinen musikalischen Geistesblitze. Eine ähnliche Rolle spielt an der Bassgitarre Hannes Stegmeier, mit perfektem Feeling für Tempo und Rhythmus.

Diese Nachwuchsband lebt ihre Kreativität, fünf Persönlichkeiten bringen ihre – wenn man so will – musikalischen Mundart in eine sympathisch freie, nicht perfekt durcharrangierte Jazz-Hochsprache ein. Nicotheo hat echtes Potenzial. Schlagende Belege dafür sind die verrückten, frappierenden und von Überraschungen vollen Eigenkompositionen, zum Beispiel die unglaubliche Nicotheo-Version des St. Kilians-Liedes (ursprünglich zu Ehren des Würzburger Bistumsgründers Kilian) und die kunstvolle Komposition „Enigma“, was so viel wie Rätsel bedeutet.

Das Stück ist gerade noch rechtzeitig für den Auftritt im Birdland fertig geworden, die fünf Jung-Jazzer steigern sich dabei in eine Spiellust hinein, die mit Beifallstürmen des Publikums honoriert wird. Mit dieser Nummer tritt Nicotheo in dieser Woche bei einem anspruchsvollen Nachwuchs-Wettbewerb an. Man muss nicht lange rätseln, um zu prognostizieren: Das müsste eigentlich was werden.