Immer wieder bietet der Birdland Jazzclub in Neuburg neben internationalen Größen auch einheimischen Jazzmusikern ein Forum. Diesmal ist das Quintett Nicotheo zu Gast. Die Band passt deswegen in die dort bereits seit Jahren etablierte Reihe „Jazz aus der Region“, weil Gitarrist Simon Schneid seine Kindheit in der Stadt an der Donau verbracht hat. Mittlerweile studiert er zwar an der Musikhochschule für Musik in Würzburg und unterhält dort seit 2018 zusammen mit Nico Theodossiadis (Alt- und Sopransaxofon, Querflöte), Jan Peter Itze (Klavier), Hannes Stegmeier (Bass) und Konrad Patzig (Schlagzeug) eine eigene Band, hat im Birdland aber natürlich trotzdem quasi ein Heimspiel.
Wenn fünf Musiker sich treffen, kommt keiner ohne Hintergrund zum ersten Meeting. In diesem Fall sind es Rock, Pop, Modern Jazz, Funk, Soul, Klassik und griechische Folklore. Es kommt einiges zusammen, was da unter einen Hut zu bringen ist, will man für eine Formation eine musikalische Sprache finden. Der Prozess, einen gemeinsamen Nenner zu finden, kann im Falle Nicotheo nach so kurzer Zeit naturgemäß noch nicht abgeschlossen sein, stattdessen ist der Weg das Ziel. Auf diesem Weg als Zuhörer ein Stück mitgenommen zu werden, ist allerdings überaus spannend.
Noch sind die Einflüsse deutlich erkennbar, in Theodossiadis‘ „Zembekiko“ etwa, das er aus einem griechischen Kriegstanz entwickelt hat, in Schneids Gitarrenarbeit zwischen George Benson und Pat Metheny einer- und dem tiefen Griff in die Rockkiste vermittels Synth-axe-Sounds andererseits. In den funky Grooves des Bassisten, im federnden Beat des Drummers, den Querverweisen auf Brad Mehldau und Michael Wolly durch den Pianisten, den quirligen Saxofonfiguren. Noch vermitteln einige Stücke den Eindruck, als stünden einzelne Bausteine nebeneinander, in den allermeisten Fällen ergeben sich aus ihnen jedoch bereits in dieser Phase überaus reizvolle Kombinationen. Ob es sich dabei vor der Pause um Adaptionen von Richie Beirach oder des Esbjörn Svensson Trios oder um „Inner Peace“ und „Thoughts Of The Past“ aus der Feder Jan Peter Itzes handelt oder im zweiten Abschnitt um die Titel des ersten Albums „Roots“, ist gar nicht entscheidend. Wichtig ist, dass zusammenwächst, was zusammengehört, und dass man Zeuge dieses Prozesses sein darf.
Sehr schnell spielt sich die junge Band an diesem Abend frei, fühlt sich zusätzlich angespornt durch den Szenenapplaus. Bald ist klar: Man wird nach diesem Heimspiel das Birdland als Sieger verlassen. Und genau so kommt es. Ohne Zugabe dürfen die Musiker nicht in der Garderobe verschwinden. – Vermutlich wird man sie ja sowieso bald wiedersehen. Hier im Birdland oder anderswo. Bei all dem Kreativpotenzial, das in ihnen steckt, wäre alles andere absolut verwunderlich, Bis dahin wird man ihre Musik im Ohr und sie selbst im Auge behalten. Beides lohnt sich.