Nico Weber Kwartett | 04.02.2022

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

»Jazz lives« – Besonders deutlich wird das Motto des Clubs, wenn eine Nachwuchsband mit erkennbarem Potential die Bühne des Birdland betritt und die Herzen des Publikums erobert. Mit dem Nico Weber Kwartett bestätigte sich einmal mehr, dass es lohnt den Jungen zuzuhören.

Der Einstieg in mittlerem Tempo war getragen von zunächst leiser Melancholie und verhangener Stimmung. Im Hintergrund gab das Schlagzeug den Puls vor, wie der Bass noch mit verhaltenen Akzenten, während die Trompete des Bandleaders in verhangenem Ton der Erinnerung an »eine wichtige Person« in »Weimar« nachhing. Die zu Beginn also noch erkennbaren Suchbewegungen der Band führten rasch zueinander, spätestens bei »Look They Destroy Themselves«, der dystopischen musikalischen Erzählung von zwei Außerirdischen, die dem Treiben der Menschheit auf unserem Planeten zusehen. In fast schon filmmusikalischem Erzählgestus beschworen Klangflächen von wüstenähnlicher Weite die karge Verlassenheit, auf die unsere Welt zuzusteuern droht, wenn wir nicht alle beginnen, die Richtung zu ändern und in heiterer Genügsamkeit einzuschwingen in den leichten Tanz der Elemente.

Das »Kwartett« (!) aus Nico Weber an der Trompete, Jakob Jäger am Bass, Pascal Haas am Schlagzeug und – herausragend – Maxim Burtsev am Flügel bezieht sich einerseits auf die Tradition des Jazz vor allem der Fünfziger, changiert stilistisch zwischen Anregungen aus dem Hardbop und dem Cool Jazz, adaptiert sogar eine Pavane von Maurice Ravel, erzählt andererseits in komplexen, mal kraftvollen, mal sensiblen Kompositionen die eigenen Geschichten aus unserer Zeit und nimmt Bezug auf aktuelle Themen wie Klimawandel, Migration und Populismus.

Bald war im Birdland die Nervosität der Lust am Spiel gewichen, in wuchtigem Gestus erklang mit »Anticipation« ein Stück über die Vorfreude auf was immer kommen mag, unterstrichen von einem quirligen Pianosolo, das mit vielen Wassern gewaschen aufhorchen ließ und auch den ehrwürdigen Bösendorfer Flügel in freudigen Glanz versetzte.

Herbie Hancocks »Dolphin Dance«, der Standard, der am Anfang der Bandgeschichte stand, schweißte das Kwartett an diesem Abend dann vollständig zusammen in lockerem Groove und elastischer Souveränität, die der Band dauerhaft stabile Souveränität gaben für den weiteren verlauf eines bemerkenswert reifen Konzerts.

Auf dem Sprung von der Lehr- zu den Wanderjahren hat Corona so manchem Millenial ein Bein gestellt. Nico Weber, Maxim Burtsev, Jakob Jäger und Pascal Haas haben sich sichtlich nicht aus der Bahn bringen und entmutigen lassen. Gut so, denn die Jungen sind es, die die Fackel weitertragen und dem Jazz immer wieder das Leben geben.