Nico Weber Kwartett | 04.02.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Er habe die wegen Co­rona konzertfreie Zeit genutzt und viel komponiert, sagt der Trompeter Nico Weber. Und nun sei er ganz begierig dar­auf zu erfahren, wie das Ergebnis denn nun live klinge und welche Resonanz es beim Publikum hervorrufe. Und so steht er also zusammen mit dem Pianisten Maxim Burtsev, dem Kontrabassisten Ja­kob Jäger und dem Schlagzeuger Pascal Haas auf der Bühne des Neuburger Bird­land Jazzclubs und wagt mit seinem Nico Weber Kwartett quasi den Stapel­lauf aus dem Trockendock.
Zuerst ist die junge Band, die sich an der Hochschule für Musik und Theater in München zusammengefunden hat, hauptsächlich noch mit den Strukturen der jeweiligen Kompositionen beschäf­tigt. Viel ist vorgegeben, festgelegt, das meiste straff organisiert. Bereits hier of­fenbart sich eine gewisse Handschrift, entwickeln sich diese griffigen Melodi­en, die man durchaus als kompositori­sche Fußabdrücke bezeichnen könnte. Steht bei Stücken wie „Weimar“ und „Look, They Destroy Themselves“ noch deren Organisation im Focus, spielt sich die Band mit „Anticipation“ Mitte des erstens Sets so richtig frei. Jetzt lässt sie sich selbst von der Leine, füllt den vor­gegebenen Rahmen mit Leben. Und nachdem ihr gleich anschließend mit „Dolphin Dance“ eine ganz tolle Herbie Hancock-Adaption gelingt, scheint nun auch die anfangs vielleicht noch vorhan­dene Nervosität wie weggeblasen. Jetzt hat die Band endgültig mehrere Hand­breit Wasser unter dem Kiel.
Nach der Halbzeitpause geht’s weiter mit „Sail Away“ von Tom Harrell, des­sen Foto gleich rechts neben der Bühne an der Wand hängt, und dem vermutlich eindringlichsten Stück des Abends, das Weber schlicht mit „Requiem“ betitelt und all jenen gewidmet hat, die ihre Hei­mat und ihre Menschenwürde verloren haben. Nach der Bearbeitung von Mau­rice Ravel’s „Pavane Pour Une In­fante Défunte“, das die balladesken Möglich­keiten der Band aufzeigt, wird’s am Ende sogar noch politisch, zumindest was den Titel des Stücks „Boris On His Pentatonic Tricycle“ angeht. Denn mit Boris ist ausdrücklich der britische Pre­mier gemeint, den sich wohl manch einer tatsächlich eher auf dem Dreirad auf dem Kinderspielplatz vorstellen kann als auf der Weltbühne.
Nico Weber ist auf vielerlei unter­schiedlichen musikalischen Feldern un­terwegs, komponiert und arrangiert für Big Bands, arbeitet mit diversen Grup­pierungen innerhalb seiner Universität, ist mit der Indie-Popband Stray Colors zu hören. Wie er in einigen Jahren klin­gen wird, weiß mit Sicherheit heute nie­mand. Sollte er freilich an dieser Band in dieser Besetzung festhalten, wäre das eindeutig ein Glücksfall für die junge Jazzszene hierzulande. Denn im Konzept der Formation sind so viele tolle Ideen erkennbar, liegen so viel Begeisterung und Witz, so viel Gespür für einen eige­nen Ausdruck und auch so viel Potenzial, dass in Zukunft einiges zu erwarten ist. Ja, es wäre in der Tat schön, diese Band bei Gelegenheit erneut im Birdland be­grüßen zu können. Man will ja schließ­lich wissen, was aus Weber und seinem „Kwartett“ geworden ist.