Nicholas Payton Quintet | 21.10.2011

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

So unterläuft man Erwartungen: Nicholas Payton, seines Zeichens einert der renommiertesten Vetreter des Neobop Marsalis’scher Prägung hat jüngst mit „Bitches“ eine CD vorgestellt, die deutlich näher an R’n’B und HipHop ist als am angestammten Genre. Wer nun im Konzert die eine, jazzpolizeilich korrekte, oder andere, poppige Seite in jeweils reiner Erkennbarkeit erwartet hätte, wurde überraschend eines wieder ganz anderen belehrt: Weder Louis Armstrong, Dizzy Gillespie oder Clifford Brown standen im Mittelpunkt des Konzerts noch Stevie Wonder, Michael Jackson oder der Miles Davis von „Bitches Brew“. Eher gab es so etwas wie eine unplugged Version eines Remix aus dem Allem. Highnotes und Highspeed, Blues und Trance präsentierte das Nicholas Payton Quintet im Gewölbe des Birdland, lupenreies Bebop-Gewitter, moderne lounge-artige Grenzgänge, funky und straight ehead federnden Hardbop im reduziert akustisch Setting, anspruchsvoll ansprechende Soli und gehauchte Vocals von Payton selbst und Mavis Swan Pooles soulgetränkter Stimme. Ungerade Metren wurden von Drummer Nasheet Waits wie selbstverständlich in swingende Bewegug versetzt, Lawrence Fields ließ Elfenbein und Ebenholz des Bösendorfers nur so tanzen, zuweilen auch die Klangstäbe des Fender Rhodes schwimmen, wummern, klingeln, Ben Wolfe den Bass singen, springen, grooven. Wie ein Sog: Schneller, höher, lauter! Cool mit Hut und schwarzer Brille, Sakko, Weste, weißem Hemd, ganz im Geist des Traditionalismus des Lincoln Centers wirkte dabei auf den ersten Blick der Leader, wie ein Chamäleon andererseits sein musikalischer Farbwechsel auf der Trompete. Die Spannung steigerte sich mehr und mehr, die Grooves wurden je und je dunkler, schwerer, die Sounds, dichter, geladener, wie vorausahnend in der Ruhe vor dem Sturm, nebelverhangen in gewittrig feuchter Luft. Überraschend anders, vielversprechend, heiß!