Nice Brazil & Group | 19.09.2015

Donaukurier | Karl Leitner
 

Die Ehe zwischen lateinamerikanischer Musik und Jazz war schon immer sehr fruchtbar. Welche Hörerklientel die daraus entstehende Musik anspricht, richtet sich in den meisten Fällen nach dem Mischungsverhältnis der einzelnen Komponenten. Die Band der aus Sao Paolo stammenden Sängerin Nice Brasil bedient mehrere Fraktionen.

Wer sich ganz einfach an Sambarhythmen erfreut, für den gibt es Stücke wie „Pro Voce“ und „Batida Diferente“, Titel voller Poesie über die Liebe und die kleinen Dinge des Lebens. Wer auch auf Jazz steht – wie wohl die meisten, die an diesem Abend den Weg in den Neuburger Birdland-Jazzclub gefunden haben – kommt durch die weidlich von allen Bandmitgliedern genutzten solistischen Freiräume auf seine Kosten. Der Songtitel „Influencia Do Jazz“ ist also quasi Programm . Erfreulich ist, dass sich im Repertoire – bis auf das anscheinend unverzichtbare „The Girl From Ipanema“ in der Zugabe, über dessen Ausgestaltung man durchaus geteilter Meinung sein kann – keine Gassenhauer finden. Nice Brasil covert zwar auch Gilberto Gil und Baden Powell, aber eben ausschließlich wenig gehörte Songs aus deren Feder. Im Grunde aber bevorzugt sie Kompositionen eher unbekannter Autoren aus den 1960er und 1970er Jahren, der Zeit also, als Brasilien unter einer Militärdiktatur litt.

Das wunderschön lässige „Balanco Zo-na Sul“ steht zwar noch für Sonne, Meerund Strand, aber bereits „La Tierra Da Preguica“ und „Pra Que Discutir Com Madame“ sind eben auch waschechte Protestsongs, letzterer mit unverkennbar ironischer Note. Wer des Portugiesischen nicht mächtig ist, hält sich notgedrungen an die Musik – und kommt auch damit voll und ganz auf seine Kosten. Samba, Bossa Nova und Musica Popular Brasileira scheinen nämlich quasi das Lebenselixier Nice Brasils und ihrer Band zu sein. Während Valery Brusilovsky an den Drums das wohl schmeckende Latin-Süppchen permanent am Köcheln hält, sorgen Joao Luis Nogueira an der Gitarre, Franco Petrocca am sechssaitigen E-Bass und vor allem Pianist Ricardo Fiuza mit ihren Soli für die gehaltvollen Einlagen.

Die Stimme Senhora Brasils kommentiert auch farblich den Inhalt der Songs, wirkt ausgelassen, verführerisch, schnippisch, aber bei Bedarf eben auch melancholisch oder zornig. Zudem ist sie ein weiteres Instrument, denn nicht selten scattet sie, spielt mit Fantasiesilben, lautiert, singt selber Soli, wird also nicht nur eingesetzt, um Geschichten zu erzählen, sondern ist auch unabhängig vom Text gleichberechtigter Teil einer Latin-Jazzband. – Wieder einmal ein höchst angenehmer Abend im Birdland mit Musik zum Genießen, Entspannen und ein ganz klein wenig Fernweh.