Nguyên Lê Quartet | 08.03.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Jedes neue Album des Meistergitarristen Nguyên Lê klingt anders als das vorausgegangene. Ständig pendelt er zwischen der Musik verschiedenster Ethnien hin und her, interpretiert regionale akustische Ausdrucksformen auf seine ganz persönliche Art und orientiert sich dabei an der Sprache des Rock, des Jazz, der World Music, der Fusion und der Klassik. Es gibt sogar ausschließlich mit Stücken von Jimi Hendrix oder Pink Floyd bestückte CDs von ihm.

Der der aus Vietnam stammende und in Paris lebende Gitarrist ist nicht nur in geografischer, sondern auch in musikalischer Hinsicht ein Weltenbummler. Man kann sich also nie hundertprozentig sicher sein, was genau einen erwarten wird bei einem seiner Konzerte. Auch nicht bei dem, das er an diesem Abend zusammen mit dem Vibrafonisten Illya Amar, dem Kontrabassisten Chris Jennings und dem Schlagzeuger John Hadfield im Neuburger Birdland-Jazzclub gibt.

In einem hochwertigen ersten und einem überragenden zweiten Set definiert sich Lê nicht nur über seine stilistische Vielfalt, sondern auch über unterschiedliche Ausdrucksweisen. Natürlich geht es wie immer auch hier um Melodik, Rhythmik und Harmonik, besondere Bedeutung aber kommt gerade bei ihm der Komponente des Sounds zu. Lê bedient sich des Instrumentariums der Rockmusik inklusive diverser Effektgeräte wie Phaser, Sampler, Delay und Hall, der Vibratohebel und das Fußpedal kommen zum Einsatz und manchmal klingt seine Gitarre wie ein Synthesizer. Als Solist öffnet er hingegen die Trickkiste des Jazz, streift auch noch nebenbei Johann Sebastian Bach und Frederic Chopin, kombiniert vor elektrisch verstärktem und mit Rockgroove unterlegtem Modern Jazz indigene Musiken aus allen Ecken der Welt und wird dadurch zu einer komplett eigenständigen Persönlichkeit, deren Musik mit keiner anderen vergleichbar ist.

Jede Komposition hat einen Hintergrund. „Bamiyan“ beschäftigt sich mit den von den Taliban zerstörten Buddha-Statuen in Afghanistan, die marokkanische Stadt „Sawira“ ist der Ausgangspunkt der ersten Sklavenverschiffung in die Neue Welt. Die frühen Handelswege entlang der indischen „Coromandel“-Küste, die Verbreitung der aus Polen stammenden Mazurka ausgerechnet auf Martinique mitten in der Karibik – ja, exotische Orte und Musikformen aus allen Weltgegenden haben es Nguyên Lê wahrlich angetan. Er lässt sich inspirieren, saugt das Flair auf, das sie verströmen, setzt seine Eindrücke in Töne um, integriert sie in seine Kunst, garniert sie mit asiatischen und orientalischen Elementen, wird selbst zum personifizierten Melting Pot. Im ersten Set des Konzerts im Birdland steckt er den Rahmen ab, im zweiten füllt er ihn immer mehr mit Leben. Und am Ende rundet sich das Ganze zu einem außergewöhnlichen, unverwechselbaren Klangereignis. Ein echtes Highlight!