Nabatov – Reijseger – Sarin | 22.10.2005

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Nur immer hinein ins pralle Leben: pure Energie, laute Eruption, große Emotionen, erregte Dialoge, leise Stimmungen und grandioser Jazz. Wer Simon Nabatov, Ernst Reijseger und Michael Sarin im Neuburger Birdland Jazzclub erlebte, für den gab’s ein Konzert von mit Sicherheit lang nachwirkender Inspiration.

So unterhaltsam kann es sein, wenn drei Ausnahmekünstler auf gleicher Augenhöhe und gleichem gemeinsamem Nenner vom Leder ziehen. Wehe wenn sie losgelassen! Aber ja doch, und mehr davon! Simon Nabatov, das ideensprudelnde Naturereignis am Bösendorfer, Ernst Reijseger, der ungeheuer virtuose und hingebungsvoll experimentierlustige Cellist, der auch mal die Saiten streichelt, wenn er nicht gerade den Bogen springen lässt, Michael Sarin, der Groove und Sound und Laut und Leise kann wie kaum Einer: Ein Trio von fulminanter Schaffenskraft. Wenn drei solche Kreativbrunnen an gleicher Stelle sprudeln, entsteht permanent Neues, Frisches, Belebendes, Spannendes. Ein meditativer Herbsttag, die atemlose Spannung einer erlköniglichen Nacht, Klanggewitter, in denen seltene Intensität sich entlädt, Spannungsbögen, die auch in 10minütigen Crescendi selten Verschnaufpausen geben, kühne Brücken schlagen über unwegsames Gelände und tiefe Schluchten, das Alles freilich nicht im schreckgespenstischen Gewand des Free Jazz der 60er, sondern in wohl überlegtem Pathos und einer äußerst intelligenten Dramaturgie, die leise Töne ebenso kennt wie sie den Keller erbeben lassen kann. Russische Seele und der Blues der Neuen Welt, Jazz und Konservatorium, impressionistische Klangmalereien und vulkanische Feuerstöße, innehaltende Momente und lärmende Hektik, klassische Bindung und avantgardistische Freiheit, Liebe zur Melodie und Lust am Radau: credo in contrastes! Und selbst die Parodie gerät noch zum anspruchsvollen Schmankerl einer Musikalität, die keine Grenzen zu kennen scheint. Wer’s miterleben durfte, wird lange davon zehren.