Monty Sunshine Jazzband | 16.11.1995

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Muß Jazz eigentlich immer nur ernst ein? Gerät es der nicht selten als „Kopfmusik“ geziehenen Kulturform sogar zum Vorteil, wenn sie sich hin und wieder auch einmal ganz den Bedürfnissen des Publikums öffnet? Nach dem jüngsten Konzert des englischen Oldtime-Grandsegnieurs Monty Sunshine im vollbesetzten Neuburger Birdland-Keller müssen diesen Fragen zumindest von der emotionalen Seite her mit einem uneingeschränkten „Ja“ beantwortet werden.

Denn was der 67jährige Klarinettist bei seinem mittlerweile zweiten Neuburg-Gastspiel in über 120 begeisternden Minuten vor der versammelten Oldtime-Liga Bayerns bot, stellt in der Tat eine gelungene Symbiose aus musikalischem Anspruch und perfekter Unterhaltung dar. Anders als bei den sterilen Gigs vieler bekannter europäischer Dixieland- und Swingformationen dominieren bei Monty Sunshine und seiner Jazzband noch der Spaß am Augenblick, die Kommunikation mit dem Publikum und die Freiheit des Solos. Denn der Name des früheren Weggefährten von Chris Barber gerät durchaus zum Programm: Sonnenschein, gute Laune, ein Schuß Understatement und der unverkennbare englische Humor versetzen jedes Publikum, auch das Neuburger, spontan in Feiertagsstimmung.

Doch gemach! Wer sich bei ersten „Jokes“ des Leaders mit Grausen an die platt-tumben Gimmicks mancher Bierdixie-Combo erinnert fühlte, erfuhr durch die wohltuende Originalität des Sextett spontane Nervenberuhigung. Die Formation Monty Sunshines bewegt sich nämlich durch ihren Verzicht auf ein Piano ganz nahe am großen Erbe der Street-Marching-Bands und ruft damit ins Gedächtnis zurück, daß die Wiege dieser Stilrichtung nicht etwa auf der britischen Insel oder in Holland, sondern in New Orleans stand.

Eine dreiköpfige, gut aufeinander eingestimmte, kraftvolle Bläsersektion mit dem vom Ton her an den Swing-Veteran Doc Cheatham erinnernden Trompeter Alan Gresty, dem virilen Posaunisten John Beecham, der offenkundig viel bei Jack Teagarden abgeschaut hat, und Monty selbst dominierten den Sound. Der weltbekannte Klarinettist verfügt trotz seines Alters noch über einen luftigen Ansatz und ein überaus variantenreiches, forsches Spiel, obwohl das süßliche, mit für die Klasse von Monty Sunshine fast schon überflüssigen Tremoli garnierte Hit-Feature eigentlich nicht notwendig gewesen wäre.

Daß sich die treibende Kraft der Band fast unmerklich von der bärenstarken Rhythumsgruppe heraus entwickelt, erschloß sich den Fans nach der Pause. Da liefen Barry Drew, ein echter Virtuose am Banjo, bei dem man im Hintergrund sogar die Schiffsschraube eines Riverboats zu hören glaubt, der Kontrabassist Tony „Kid“ Bagot, der die uralte, längst überkommene Slap-Technik wiederbelebte (sie mitunter aber auch ein wenig übertrieb) und der flinke Drummer Tony Scrivens zur Hochform auf. Vor allem letzterer erntete für sein publikumswirksames Solo, bei dem er rund um sein Drumset wanderte und auch den im Weg stehenden Baßkorpus mit den Stöcken bearbeitete, wahre Ovationen.

Ulkige Dialoge, peitschende Stomps, relaxter Ragtime, aber auch religiöse Besinnung – sämtliche Gefühle wurden bei Titeln wie „Gloryland“, „Black Cat on the Fence“, „After you`ve gone“, „Sweet bye bye“ oder dem unvermeidlichen „Ice Cream“ ihrer Fesseln entledigt. Und obwohl Monty Sunshine auf seinen größten Hit „Petit Fleur“ verzichtete, ließen sich seine am Schluß völlig losgelösten Fans nicht mehr davon abhalten, den Hofapothekenkeller bei der Zugabe erstmals sogar als Tanzfläche für einen entrückten Schwoof zweckzuentfremden.