Monty Alexander Trio | 05.05.1995

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Ein kollektiver Groove, der zwei Stunden lang durch das vollbesetzte Gewölbe wabert, ein einziges Fingerschnippen, Fußwippen und Kopfnicken – wann hat es solch einvernehmliche Genugtuung zuletzt im Neuburger Birdland Jazzkeller gegeben? Der Klavierfuchs Monty Alexander macht es möglich. Und mit ihm kehrte am vergangenen Freitag auch jene unverwechselbare Fröhlichkeit in die Mauern des Hofapothekenkellers zurück, die dem Jazz manchmal doch arg abhanden geht.

Es mag Puristen geben, die dem 51jährigen Tastenkünstler aus Jamaika sein allzu publikumsträchtiges Spiel vorhalten: perlende Läufe a` la Oscar Peterson, rotzfreche Zitate von Strawinsky bis zu den Beatles, allerhand dramatisch gesetzte Triller sowie ein wildes Stilegemisch aus Soul, Blues, Reggae, Südseeweisen, Schnulzen und Jazz. Doch was soll daran verwerflich sein? Monty Alexander agiert keinesfalls aus bloßem Kalkül, sondern eher wie ein schwelgender, lebenslustiger Romantiker, der den Spaß an all den vielen Evergreens seinem Publikum weitergeben will. Ehrlich, mit offenem Herzen und mit einer bemerkenswerten Technik ausgestattet, die ihm diese emotionale Intensität erst möglich macht.

Die fein-subtil antastende, für die Melodieführung zuständige rechte Hand erfährt durch eine dampflok-ähnliche Linke einen kräftigen Anschub. Wie überhaupt der Eindruck nie ganz verwischt werden kann, daß Alexander das Piano als ein Drumset mit 88 Elementen betrachtet. Wie ein jamaikanischer Springteufel saust er im Affenzahn durch die Uptempo-Phrasen, um schon Sekunden später bei Stecknadelstille jede Note einer Ballade bis zur Neige auszukosten. Als Vorlage dient ihm ein ganzes Bündel voller guter, fast schon vergessener Songs, wie Tony Bennetts „Maybe September“, Doris Days „I`ll never stop loving you“, Bob Marleys „Lively up yourself“, „Oh when the Saints“ oder „Sweet Georgia Brown“. Die Schwelle zum Kitsch liegt mitunter bedrohlich nahe (wie bei der sentimentalen Zugabe „River“), wird jedoch gottlob nur äußerst selten überschritten und manchmal gar aberwitzig umkreist.

Mit der ihm eigenen rhythmischen Kraft und Klangfeinheit formte Alexander im „Birdland“ immer wieder skurill-bunte musikalische Sträuße, die ohne seine beiden Begleiter freilich nicht halbwegs in solcher Pracht hätten erstrahlen können. Der smarte Bassist Ira Coleman verkörperte beispielsweise mit seinem wuchtigen Ton und melodisch schlüssigen Begleitlinien den nahezu perfekten Sideman für das fiebrige Temperamentbündel am Flügel, garantierte allerdings auch zu jeder Zeit ein bombenfestes Jazzfundament, welches durch die Eskapaden des Jamaikaners hin und wieder schon ganz gewaltig ins Wackeln geriet.

Eine Attraktion für sich bildete freilich der Schlagwerker Robert Thomas junior. Eigentlich als Ersatz für den erkrankten Ex-Peterson-Drummer Ed Thigpen angekündigt, lieferte er sich mit Monty Alexanders perkussivem Klavier manch erregende Dialoge, die mit teilweise frenetischem Beifall belohnt wurden. Weitaus spannender schien es jedoch, seine wie selbstverständlich anmutende Integration von Bongos und Congos in das klassische Jazz-Drumming beobachten zu können. Daß Thomas mitunter die Funktion der Besen auf den Trommelfellen mit bloßen Händen erledigte, ließ nur einen Schluß zu: der Mann muß über ein geradezu sensationelles Feingefühl und eine enorm dicke Hornhaut verfügen.