Mit4spiel5 | 27.03.2010

Neuburger Rundschau | Christian Wurm
 

Was an umfangreichem Instrumentarium wie einer Hammond B3 mit Leslie, diversen Saxophonen, Flöten und Gitarren an diesem Abend auf der Bühne im Birdland stand, machte einen schon vor dem Konzert neugierig. Verstärkt wurde die Erwartung noch durch die zahlreichen Mikrophone und Kabel die der Bayerische Rundfunk für einen Live-Mitschnitt platziert hatte. Und da konnte eigentlich nichts mehr schief gehen, ist doch der Sender durch sein Gespür für ausgezeichnete und neu zu entdeckende Musik bekannt.

Gleich von Beginn des Konzertes an stellte sich ein gewisser Aha-Effekt ein; in dieser Form hatte man Jazz noch nicht gehört. Eklektisch, experimentierfreudig, bereit neue Möglichkeiten auszureizen; das haben sich die Musiker auf ihre Fahnen geschrieben, und das beinhaltet auch ihr Bandname, der aus dem Skatspiel stammt. Trotz aller Komplexität verstehen es die Musiker, fast ohrwurmartige Melodien zu kreieren, die zudem noch durch die eher ungewöhnliche Instrumentierung ein ganz eigenständiges Klangbild erzeugen.

Dass es keinen eigentlichen Bandleader gibt, spricht für das Kollektiv, in dem ein Rädchen ins andere greift. Trotz der ausgeklügelten und ideenreichen Arrangements bleibt den Protagonisten aber noch genügend Freiraum für fulminante Soloausflüge.

Die meisten Titel an diesem Abend sind Eigenkompositionen der Bandmitglieder und haben oft autobiographische Züge; sie ähneln teilweise kleinen Hörspielen oder nehmen Bezug auf Strukturen der Theatermusik. Als Beispiele seien hier das R&B-artige „Stau auf der A6“ oder „Vom Regen in die Traufe“ erwähnt, bei denen die Hammondorgel von Martin Meixner so richtig schön grooved und Stefan Koschitzki am Sopransaxophon (er spielt zudem auch noch Altsaxophon, Querflöte und EWI) mit Fabiano Pereira an der Gitarre durch wunderschöne parallele Melodieläufe glänzen. Das „Geschichten erzählen“ gipfelt in „Wespenjagd im Schlafzimmer“ wo Gitarre, Orgel und EWI (Elektronisches Windinstrument) eben jene wilde Jagd geräuschmäßig veranschaulichen. Hinterlegt wird das Ganze dann noch durch einen konträren Sambarhythmus von Jan Phillipp Wiesmann an den Drums.

„Zuviel Kaffee“ von Martin Meixner kommt hardbopmäßig, nikotingenussfahrig, „Erkenntnis a priori“ von Fabiano Pereira (im 15/8tel-Takt!) eher funkig daher.
Und dass die Band auch Klassiker beherrscht, zeigt zum Schluss des Konzertes das ausgezeichnet arrangierte, kraftvoll interpretierte „Seven Steps To Heaven“ von Miles Davis.
Eine großartige, junge Band, von der man noch viel hören wird. „New Art Jazz“ vom Feinsten.

Sendehinweis: Das Konzert wurde im Rahmen der Reihe „Jazz auf Reisen“ vom Bayerischen Rundfunk live mitgeschnitten und wird am 18.06.2010 auf BR-Klassik ausgestrahlt