Mike LeDonne – Vincent Herring Quartet | 13.04.2019

Donaukurier | Karl Leitner
 

Obwohl vier Herren auf der Bühne zugange sind, ist der eigentliche Star des Abends weiblich. Die Lady ist ein echtes Original, wiegt – schraubt man ihr vorher die Basspedale ab – stolze vier Zentner, wurde hergestellt im Jahre 1959, hört auf den Namen „Hammond B3“ und erzeugt einen Sound, der mit keinem anderen der Welt vergleichbar wäre, nicht mal mit dem eines ihrer Nachfolgemodelle. Die erste Frage, die sich stellt: Wer hat dieses edle Teil, das – wie an etlichen Schrammen im Furnier und an den Signaturen namhafter Musiker auf dem Deckel abzulesen ist – bereits einiges erlebt hat, die steile Treppe ins Gewölbe des Birdland Jazzclubs hinuntergeschleppt? Und die zweite folgt sogleich: Wie bekommt man sie nach dem Konzert wieder nach oben?

Natürlich braucht ein Instrument wie dieses jemand, der es singen und jubilieren, fauchen und zwitschern lässt, der weiß, wie man bei ihm im wahrsten Sinne des Wortes alle Register zieht. Mit Mike LeDonne sitzt ein wahrer Könner an den Pedalen, Tasten und Manualen, ein Virtuose, der es streichelt und pflegt, es herausfordert und ihm Töne und mit Hilfe des Leslie-Rotationslausprechers Klangfarben entlockt, die man nur noch ganz selten auf einer Livebühne hört. Und die Orgel dankt es ihm, ist überhaupt nicht zickig, zeigt sich treu ergeben und folgt ihm über Stock und Stein. Ein Hoch auf analoge Wertarbeit!

Wenn LeDonne zusammen mit dem Altsaxofonisten Vincent Herring in eines dieser wahnwitzigen Hard Bop-Themen einsteigt, riecht es förmlich nach Soul, Soul Jazz und Rhythm’n’Blues. Deswegen verwundert es auch nicht, dass die Stücke des Abends nicht nur aus diversen Alben LeDonne’s stammen, sondern eben auch von Leuten wie Sammy Davis Jr., Nathalie Cole oder Billy Preston.

Was für eine Lust, sich diesem Treiben auszuliefern und sich selbst eine kräftige Kelle dieses heißen Soundgebräus einzuschenken. Der mächtige Ton Herrings, der stete Beat des Drummers Hans Braber, dazu die Akkorde des Gitarristen Martien Oster, die er nach Art von Wes Montgomery in seine Soli einbaut und dadurch immer wieder für gehörigen Schub sorgt, das alles zusammen goovt und pulst weit über zwei Stunden lang, das spricht einen als Hörer und unweigerlichen Mit-Groover auch körperlich an. Wer angesichts dieses virtuosen Mike LeDonne, dieser hervorragend agierenden Band und natürlich dieses tollen Sounds emotional unberührt bleibt, dem ist vermutlich nicht zu helfen.

Das letzte Stück des regulären Programms vor der Zugabe trägt den Titel „I Love Music“. Als Fazit dieses einzigartigen Abends im Birdland ist er perfekt platziert. Aber man könnte ihn sogar noch konkretisieren: „Nicht irgendeine, sondern genau diese Art von Musik ist es, die wir lieben.“