Miguel Zenón Quartet | 14.02.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Dem Himmel sei Dank – an Talenten mangelt es nicht im Jazz. Obwohl die Kunst der improvisierten Musik statistisch gesehen einen ausgesprochenen Minderheitencharakter hat, ist die Qualität des Nachwuchses unzweifelhaft ausgezeichnet. Den immer wieder überzeugenden Nachweis liefert die Rising Star Serie im Neuburger Birdland, die mit dem Altsaxophonisten Miguel Zenón wiederum ein Ass aus dem Ärmel zauberte.

Auf dem Alto wirklich zu brillieren ist gar nicht so leicht, zu groß ist die Versuchung, das Tempo zum Alles beherrschenden Kriterium zu erheben. Reine Virtuosität jedoch findet keinen Lohn, wird häufig als Skalenreiterei verpönt. Wem allerdings Rasanz, Phantasie und ein wahrhaft aufregender Ton zur Verfügung stehen, wer solche Ingredienzien zu atemberaubend persönlichem Ausdruck zusammenfügt, der verdient nicht nur einen Klasse 1 Führerschein auf der Skalenautobahn, dem sind hohe Weihen der Jazzjüngerschaft gewiss. Der erst 25jährige Miguel Zenón ist mit fast Allem gesegnet, was es braucht, den Rest hat er sich erarbeitet in Berklee, Manhattan und an der „Ecuela Libre de Musica“ in Puerto Rico. Das Konzert im Birdland wurde zu einem echten Erlebnis des modernen Jazz zwischen Postbop, Free und hoher Eigenständigkeit. Das Quartett zelebriert eine Musikauffassung, die jederzeit in der Lage ist sich nach vorwärts auszurichten, die jedoch gleichzeitig die Zukunft immer auch auf die Herkunft bezieht, nicht blind vorwärts stürmt in unbekannte Weiten, sondern den Blick nach vorn richtet mit innerem Engagement und einem beachtlichen Vorrat an musikalischem Lebenswissen. Das stellt zuweilen an den Zuhörer einigen Anspruch, lohnt jedoch allemal die Beschäftigung und gibt Teil an einer Reise ins Abenteuerland, die immer spannend bleibt und reichlich Adrenalin erzeugt. Klang, Phrasierung, Linienführung, rhythmische Qualität, bei Zenón passt Alles zusammen in organisch-energetischem Fluss und tiefer Spiritualität. Hinzu kommt ein Trio der Extraklasse. Luis Perdomo vereint Robert Schumann und Cecil Taylor am Bösendorfer zu einträchtigem Miteinander. Antonio Sanchez‘ Rhythmusarbeit am Schlagzeug treibt das Geschehen in differenzierter Dynamik voran und Hans Glawischnig bestätigt seinen Ruf als Meister ausgefeilter Grundlinien und kreativer Solist.